Experten streiten im Verkehrsausschuss um Pkw-Maut

Sowohl die finanzielle Wirkung der geplanten Infrastrukturabgabe (BT-Drs. 18/11237) als auch die Frage ihrer Europarechtskonformität sind unter Experten umstritten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am 20.03.2017 deutlich. Auch mit einigen geplanten Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf sind die Experten sich nicht sicher, ob die Pkw-Maut mit europäischem Recht zu vereinbaren ist. Ein Vertreter des Deutschen Städtetages forderte Ausnahmeregelungen auf grenznahen Autobahnabschnitten.

Mayer: Maut europarechtswidrig

Franz Mayer von der Universität Bielefeld hält die Abgabe "nach wie vor für europarechtswidrig". Daran würden auch die nun in Rede stehenden Korrekturen nichts ändern. Nach wie vor würden nur Inländer entlastet und daher Ausländer diskriminiert, sagte Mayer. Zugleich übte er Kritik an der EU-Kommission, die keine nachprüfbare Begründung für die Aussetzung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland vorgelegt habe. "Die EU-Kommission kann nicht europarechtswidrige Zustände für europarechtskonform erklären", betonte er. Eine endgültige Entscheidung werde schlussendlich der Europäische Gerichtshof fällen müssen. "Der EuGH wird das Gesetz für europarechtswidrig erklären", gab sich Mayer überzeugt.

Hillgruber: Maut europarechtskonform

Anders sieht dies Christian Hillgruber von der Universität Bonn. Es liege keine mittelbare Diskriminierung von Ausländern vor, weshalb die Pkw-Maut auch nicht europarechtswidrig sei, sagte er. Hillgruber verwies auf die Eurovignetten-Richtlinie, laut der ein angemessener Ausgleich zur Mauterhebung - auch über die Kfz-Steuer - möglich sei. Gehe man dennoch von einer mittelbaren Diskriminierung aus, hieße das, "die Richtlinie selber ist nicht europarechtskonform". Hillgruber räumte ein, dass ein Verfahren vor dem EuGH nicht auszuschließen sei. "Ich würde dem aber mit großer Gelassenheit entgegensehen", sagte er.

Kommunalvertreter fordern Mautfreiheit für bestimmte Autobahnabschnitte

Thomas Kiel als Vertreter des Deutschen Städtetages stellte sich hinter die Forderung des Bundesrates, bestimmte Autobahnabschnitte in grenznahen Regionen von der Mautpflicht freizustellen. Es sei nicht ausreichend, die Bundesfernstraßen von der Maut für Ausländer auszuklammern, weil in einigen Regionen der grenznahe Verkehr über die Autobahn erfolge. Die Städte und Kommunen in Grenznähe hätten die Sorge, dass die Maut als Eintrittspreis gewertet werde und Einzelhandel sowie Tourismus in den Regionen mit Nachteilen rechnen müssten.

Keine Einigkeit über möglichen Ertrag der Pkw-Maut

Umstritten war auch, ob die Maut wirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist. Diese Frage war am gleichen Tag parallel auch im Haushaltsausschuss besprochen worden.  Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geht von Mauteinnahmen durch ausländische Pkw in Höhe von 834 Millionen Euro aus, die nach Abzug der Systemkosten von 211 Millionen Euro sowie der Kosten für die zusätzliche Steuerentlastung in Höhe von 100 Millionen Euro zu einer Nettoeinnahme von 524 Millionen Euro führen. Laut dem Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger ist hingegen im ersten Jahr nach Einführung mit einem Minus von 71 Millionen Euro zu rechnen.

Expertenschätzungen gehen weit auseinander

Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der schadstoffarmen und damit von der Kfz-Steuerentlastung betroffenen Fahrzeuge steigen werde, sei in den folgenden Jahren mit einer Erhöhung des Verlustbetrages zu rechnen, sagte Ratzenberger vor dem Ausschuss. Die erheblichen Unterschiede bei den Einnahmeschätzungen erklärte er mit unterschiedlichen Prognosewerten in Bereichen, für die es keine empirischen Grundlagen gebe. Einige der stattdessen getroffenen Annahmen des Ministeriums seien aus seiner Sicht jedoch unplausibel. Wolfgang H. Schulz von der Zeppelin Universität Friedrichshafen bewertete dies anders. Die Prognose des BMVI sei konservativ gerechnet und enthalte einen Abschlag von 25%. Von "schöngerechneten Zahlen" sprach Dieter Dewes von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft. Der im Gesetzentwurf dargestellte Erfüllungsaufwand sei nicht realistisch dargestellt und entspreche nicht den Erfahrungswerten der Zollverwaltung. Die Neufestsetzung der Kfz-Steuer, für deren Verwaltung der Zoll zuständig sei, werde zu einem hohen Aufwand führen, der mit dem jetzigen Personalbestand nicht zu bewältigen sei.

Redaktion beck-aktuell, 21. März 2017.

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