Ex­per­ten mit De­tails der Neu­re­ge­lung der Be­stands­da­ten­aus­kunft un­zu­frie­den

Be­ab­sich­tig­te Neu­re­ge­lun­gen in einem Ge­setz­ent­wurf der Ko­ali­ti­ons­frak­tio­nen zum Zu­griff von Si­cher­heits­be­hör­den auf Kun­den­da­ten in der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on haben in man­chen De­tails nicht die Zu­stim­mung aller Sach­ver­stän­di­gen ge­fun­den. Dies zeig­te sich bei einer An­hö­rung des Bun­des­tags-Aus­schus­ses für In­ne­res und Hei­mat. 

Ver­stoß gegen Ver­fas­sungs- und Uni­ons­recht mo­niert

Kon­kret ging es um den Ge­setz­ent­wurf der Ko­ali­ti­ons­frak­tio­nen "zur An­pas­sung der Re­ge­lun­gen über die Be­stands­da­ten­aus­kunft an die Vor­ga­ben aus der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 27.05.2020". Nach An­sicht von Mat­thi­as Bä­cker von der Jo­han­nes-Gu­ten­berg-Uni­ver­si­tät Mainz be­hebt der Ge­setz­ent­wurf im We­sent­li­chen die Män­gel des gel­ten­den Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­rechts und des Fach­rechts der Si­cher­heits­be­hör­den, die das BVerfG auf­ge­zeigt habe. Gleich­wohl stün­den ei­ni­ge der vor­ge­se­he­nen Re­ge­lun­gen mit hö­her­ran­gi­gem Recht nicht in Ein­klang. So trage der Ge­setz­ent­wurf der spe­zi­fi­schen Sen­si­bi­li­tät von Te­le­me­di­en­da­ten nur un­zu­rei­chend Rech­nung. Zum an­de­ren ver­feh­le die ge­setz­li­che Er­laub­nis zur Auf­lö­sung dy­na­mi­scher IP-Adres­sen unter Ver­wen­dung be­vor­ra­te­ter Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons-Ver­kehrs­da­ten uni­ons­recht­li­che An­for­de­run­gen.

Er­neu­te Be­fas­sung des BVerfG be­fürch­tet

Der Rechts­an­walt Jonas Brey­er be­dau­er­te, dass der Ge­setz­ent­wurf die Män­gel, die das BVerfG ge­nannt habe, lei­der nur teil­wei­se be­sei­ti­ge. Er fürch­te, dass es zu einer wei­te­ren Ent­schei­dung kom­men werde. Er un­ter­strich, dass die Ab­fra­ge von Be­stands­da­ten von hoher Be­deu­tung sei, weil die An­ony­mi­tät der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on damit durch­bro­chen werde. Die Daten lägen im Um­feld be­son­ders ge­schütz­ter In­for­ma­tio­nen.

Um­fas­sen­de Ge­samt­re­form nach­rich­ten­dienst­li­cher Ge­setz­ge­bung ge­for­dert

Der Bun­des­be­auf­trag­te für den Da­ten­schutz und die In­for­ma­ti­ons­frei­heit, Ul­rich Kel­ber, kri­ti­sier­te ins­ge­samt die Un­zu­läng­lich­keit der nach­rich­ten­dienst­li­chen Ge­setz­ge­bung, hin­sicht­lich derer er wie­der­holt eine um­fas­sen­de Ge­samt­re­form an­ge­mahnt habe. Das BVerfG habe den Ge­setz­ge­ber in­zwi­schen zum Recht der Nach­rich­ten­diens­te eine lange Auf­ga­ben­lis­te zu­ge­wie­sen. Es wäre nach sei­ner Mei­nung ge­bo­ten, diese end­lich kon­se­quent ab­zu­ar­bei­ten statt mit ein­zel­nen Re­pa­ra­tur­ge­set­zen zu agie­ren.

Re­ge­lun­gen wegen hoher Aus­dif­fe­ren­ziert­heit als un­prak­ti­ka­bel kri­ti­siert

Mar­kus Löf­fel­mann von der Hoch­schu­le des Bun­des für öf­fent­li­che Ver­wal­tung mein­te, eine Rechts­an­wen­dung, die zu­gleich prak­ti­ka­bel und grund­rechts­scho­nend sein soll, er­schei­ne auf der Grund­la­ge der be­ab­sich­tig­ten Re­ge­lun­gen kaum mög­lich. Diese Re­ge­lun­gen seien in dem hohen Grad ihrer Aus­dif­fe­ren­ziert­heit in­tui­tiv nicht mehr zu er­fas­sen und nach­zu­voll­zie­hen. Das be­tref­fe nicht nur die an­spruchs­vol­le Prü­fung der for­ma­len Vor­aus­set­zun­gen einer Ab­fra­ge durch die Fach­be­hör­den, son­dern auch die Prü­fung der for­ma­len Vor­aus­set­zun­gen eines Aus­kunfts­er­su­chens durch die Ver­pflich­te­ten.

Neu­re­ge­lung für die ma­nu­el­le Be­stands­da­ten­ab­fra­gen durch das BKA als brauch­bar er­ach­tet

Der Prä­si­dent des Bun­des­kri­mi­nal­amts (BKA), Hol­ger Münch, hielt fest, dass der vom BVerfG vor­ge­ge­be­ne Rah­men für ma­nu­el­le Be­stands­da­ten­ab­fra­gen durch das BKA im Ge­setz­ent­wurf deut­lich er­kenn­bar und für die prak­ti­sche An­wen­dung hand­lungs- und rechts­si­cher for­mu­liert sei. Die bis­lang dem BKA zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mög­lich­kei­ten ma­nu­el­ler Be­stands­da­ten­aus­künf­te könn­ten daher im Kern auch mit der künf­ti­gen Neu­re­ge­lung wahr­ge­nom­men wer­den. Im kon­kre­ten Fall stel­le aber ein Er­su­chen an den Be­trei­ber auf Be­stands­da­ten­aus­kunft nur dann einen Mehr­wert für die po­li­zei­li­che Ar­beit dar, wenn der An­bie­ter auch die Kun­den­da­ten ge­spei­chert habe, um hier­aus Aus­kunft er­tei­len zu kön­nen. Dies gelte ins­be­son­de­re für dy­na­mi­sche IP-Adres­sen.

Neue Ar­chi­tek­tur der Si­cher­heits­be­fug­nis­se in Deutsch­land an­ge­mahnt

Nach An­sicht von Ky­rill-Alex­an­der Schwarz von der Ju­li­us-Ma­xi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Würz­burg ge­nügt der Ge­setz­ent­wurf in we­sent­li­chen Zügen genau den An­for­de­run­gen, die das BVerfG auf­ge­stellt hat. Er lenk­te den Blick dar­auf, dass das Kor­sett, wel­ches das BVerfG dem Ge­setz­ge­ber an­ge­legt habe, so eng­ma­schig sei, dass in der Fach­li­te­ra­tur völ­lig zu Recht von einer Art ju­ris­ti­schem "Over­kill" in der Form des Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes ge­spro­chen werde. Mit Blick auf wei­ter dro­hen­de Ver­fah­ren ver­su­che der Ge­setz­ge­ber, die Vor­ga­ben klein­tei­lig um­zu­set­zen. Es sei nötig, sich grund­sätz­li­che Ge­dan­ken über eine neue Ar­chi­tek­tur der Si­cher­heits­be­fug­nis­se in Deutsch­land zu ma­chen.

Redaktion beck-aktuell, 25. Januar 2021.

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