VGT-Präsident: Aggressives Verhalten vor allem auf Autobahnen
"Es gibt aggressives Verhalten vor allem auf den Autobahnen", hat VGT-Präsident Kay Nehm festgestellt: "Behindern, Linksfahren, in der Mitte Fahren – das hat sich bedauerlicherweise breitgemacht", sagt der frühere Generalbundesanwalt. Ähnlich sieht man es beim Autoclub AvD: Aggressives Verhalten im Straßenverkehr gehe fast immer auch mit groben Regelverletzungen einher, sagt Sprecher Herbert Engelmohr. Dabei werde die Schädigung Anderer zumindest billigend in Kauf genommen.
Verkehrsjurist bemängelt abnehmende Toleranz von Straßenverkehrsteilnehmern
"Die Toleranz von Straßenverkehrsteilnehmern nimmt ab", hat auch der Verkehrsjurist Jörg Elsner beobachtet. "Das Phänomen wird jeden Tag deutlich an Verengungen von zwei Fahrspuren auf eine." Auch wenn es nur um einen Raumgewinn von einer Fahrzeuglänge gehe, seien Verkehrsteilnehmer häufig nicht bereit, andere Fahrer einfädeln zu lassen, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Egozentrisches Verhalten als Ursache für Unfälle
Auch bei Unfällen spiele die fehlende Disziplin der Verkehrseilnehmer eine erhebliche Rolle, sagt Elsner. "Wer abbiegen will, blinkt häufig nicht." Und auch die Beachtung des rückwärtigen Verkehrs auf zweispurigen Fahrbahnen lasse deutlich nach. "Die Kraftfahrer ziehen einfach raus", sagt der Verkehrsanwalt. Ein weiteres Problem seien "Kraftfahrer, die meinen, andere disziplinieren zu müssen, etwa indem sie die Überholspur blockieren". Der Vorsitzende des Autoclubs ACE, Stefan Heimlich, fasst es so zusammen: "Bei vielen Verkehrsteilnehmern steht das Ich vor dem Wir."
Noch keine wissenschaftlich fundierten Daten vorhanden
Über die Gründe dafür lässt sich nur spekulieren. Denn wissenschaftlich fundierte Daten zur Aggressivität im Straßenverkehr lägen nicht vor, sagt die Sprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), Julia Fohmann. Allerdings höre der DVR regelmäßig "von Seiten der Fahrlehrerschaft und der Polizei, dass aggressives Verhalten zunimmt". "Wir stellen punktuell fest, dass die Aggressivität im Straßenverkehr steigt", bestätigt Kurt Bartels vom Vorstand der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Möglicherweise spielten dafür erhöhte Arbeitsbelastung, Leistungs- und Zeitdruck eine Rolle, vermutet Wolfgang Schönwald von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Obwohl es keine wissenschaftlichen Daten gebe, bestehe auch bei seiner Gewerkschaft der Eindruck, als ob zum Beispiel dichtes Auffahren oder Drängeln tatsächlich um sich griffen.
Ursache möglicherweise auch zunehmende Verkehrsdichte
"Viele Verkehrsteilnehmer wissen nicht mehr, wie man sich auf den Straßen korrekt benimmt", sagt Bartels. "Sie kennen den Verkehrs-Knigge nicht", glaubt der Fahrlehrer-Vorstand. "Vieles resultiert aber auch aus der zunehmenden Verkehrsdichte." Dafür spricht die Rekordzahl von 723.000 Staus im Jahr 2017, über die der ADAC in dieser Woche berichtete. "Dass es immer enger und voller wird", ist auch für ACE-Chef Heimlich "eine zentrale Ursache" für die zunehmende Aggressivität. Viele Verkehrsteilnehmer reagierten genervt, wenn der Vordermann vermeintlich zu langsam fährt oder abrupt bremst. Andere parkten einfach in der zweiten Reihe.
Nehm ruft zu Gelassenheit und Rücksichtnahme auf
Helfen könne vor allem Gelassenheit, glaubt Kay Nehm. "Man muss sich darauf einstellen, dass die Straßen immer voller werden. Der heutige Verkehr funktioniert nur mit Rücksichtnahme", sagt der VGT-Präsident.