Fi­nanz­aus­schuss: Ex­per­ten be­grü­ßen Soli-Teil­ab­schaf­fung über­wie­gend

Die von der Bun­des­re­gie­rung ge­plan­te teil­wei­se Ab­schaf­fung des steu­er­li­chen So­li­da­ri­täts­zu­schla­ges ab 2021 ist von meh­re­ren Sach­ver­stän­di­gen als Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung be­grü­ßt wor­den. Dies be­rich­te­te am 04.11.2019 der par­la­men­ta­ri­sche Pres­se­dienst. Über wei­te­re Schrit­te gin­gen die Mei­nun­gen in einer vom stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den Al­brecht Gla­ser (AfD) ge­lei­te­ten öf­fent­li­chen An­hö­rung des Fi­nanz­aus­schus­ses am 04.11.2019 aber weit aus­ein­an­der. Die For­de­run­gen reich­ten von einer völ­li­gen Ab­schaf­fung des Zu­schlags bis zur In­te­gra­ti­on in den Ein­kom­men­steu­er­ta­rif.

90% aller bis­he­ri­gen Zah­ler sol­len von Zah­lung be­freit wer­den

Der Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung (BT-Drs. 19/14103) sieht vor, dass der So­li­da­ri­täts­zu­schlag in einem ers­ten Schritt zu­guns­ten nied­ri­ger und mitt­le­rer Ein­kom­men zu­rück­ge­führt wer­den soll. Durch die An­he­bung der Frei­gren­ze und die Ein­füh­rung einer neuen Mil­de­rungs­zo­ne sol­len 90% aller bis­he­ri­gen Zah­ler des Zu­schlags von der Zah­lung be­freit wer­den. Das Ent­las­tungs­vo­lu­men soll 9,8 Mil­li­ar­den Euro 2021 be­tra­gen und 2022 auf 11,2 Mil­li­ar­den Euro stei­gen. Wegen der ak­tu­ell wei­ter­hin be­stehen­den fi­nan­zi­el­len Las­ten des Bun­des aus der Wie­der­ver­ei­ni­gung werde der So­li­da­ri­täts­zu­schlag nur teil­wei­se zu­rück­ge­führt, heißt es in dem Ent­wurf. Au­ßer­dem ging es in der An­hö­rung um einen Ge­setz­ent­wurf der FDP Frak­ti­on (BT-Drs. 19/14286), der die voll­stän­di­ge Ab­schaf­fung des So­li­da­ri­täts­zu­schlags zum Ziel hat.

Bund der Steu­er­zah­ler für voll­stän­di­ge Ab­schaf­fung

Nach An­sicht von Rei­ner Holz­na­gel, dem Prä­si­den­ten des Bun­des der Steu­er­zah­ler, ent­fällt die Be­grün­dung für die Er­he­bung des So­li­da­ri­täts­zu­schla­ges mit dem in die­sem Jahr aus­lau­fen­den So­li­dar­pakt II. Daher wäre es fol­ge­rich­tig, den So­li­da­ri­täts­zu­schlag ab­zu­schaf­fen. Der Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung gehe aber in die rich­ti­ge Rich­tung, auch wenn sich der Bund der Steu­er­zah­ler eine voll­stän­di­ge Ab­schaf­fung ge­wünscht hätte. Auch der Prä­si­dent der Hand­werks­kam­mer Mün­chen und Ober­bay­ern, Franz Xaver Pe­terand­erl, un­ter­stütz­te die Ziel­rich­tung des Ge­setz­ent­wurfs. Aus Sicht des Hand­werks soll­te der So­li­da­ri­täts­zu­schlag aber voll­stän­dig ab­ge­schafft wer­den, weil er In­ves­ti­tio­nen im Hand­werk be­ein­träch­ti­ge.

Tappe: Ge­plan­te Rück­füh­rung "noch ver­fas­sungs­recht­lich halt­bar"

Nach Dar­stel­lung von Pro­fes­sor Hen­ning Tappe (Uni­ver­si­tät Trier) gibt es zwi­schen dem So­li­dar­pakt II und dem So­li­da­ri­täts­zu­schlag kei­nen Zu­sam­men­hang, da Steu­ern nicht zweck­ge­bun­den seien. Tappe er­klär­te in sei­ner Stel­lung­nah­me, er halte im Ein­klang mit der bis­lang er­gan­ge­nen höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung den So­li­da­ri­täts­zu­schlag für ver­fas­sungs­ge­mäß. Pro­fes­sor Frank Hecht­ner (Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Kai­sers­lau­tern) be­zeich­ne­te die Rück­füh­rung des So­li­da­ri­täts­zu­schlags nach dem vor­lie­gen­den Ge­setz­ent­wurf als "noch ver­fas­sungs­recht­lich halt­bar". Hier­bei sei auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass ein Abbau des So­li­da­ri­täts­zu­schlags über einen fis­ka­lisch ver­tret­ba­ren Zeit­raum zu er­fol­gen habe. Das vor­lie­gen­de Ge­set­zes­vor­ha­ben sei ein­ge­klei­det in einen län­ge­ren Pro­zess, in dem der So­li­da­ri­täts­zu­schlag ins­ge­samt ab­ge­baut wer­den solle. Wün­schens­wert wäre es ge­we­sen, wenn auch die nächs­ten Schrit­te zum voll­stän­di­gen Abbau des Zu­schlags be­reits fest­ge­legt wor­den wären, so Hecht­ner.

Balke: So­li­da­ri­täts­zu­schlag gleich in mehr­fa­cher Hin­sicht ver­fas­sungs­wid­rig

Ganz an­ders ar­gu­men­tier­te der Rechts­an­walt und frü­he­re Fi­nanz­rich­ter Mi­cha­el Balke, der den So­li­da­ri­täts­zu­schlag gleich in mehr­fa­cher Hin­sicht als ver­fas­sungs­wid­rig be­wer­te­te. So wür­den der­zeit Frei­be­ruf­ler, Ar­beit­neh­mer und Ver­mie­ter bei gleich hohem Ein­kom­men mehr So­li­da­ri­täts­zu­schlag zah­len als Ge­wer­be­trei­ben­de und Be­zie­her aus­län­di­scher Ein­kom­men. Au­ßer­dem er­klär­te Balke, die Bes­ser­ver­die­nen­den, die so­wie­so schon seit 1991 die Haupt­last der un­glei­chen Dau­er­son­der­be­las­tung zu tra­gen hät­ten, wür­den nicht wie über 90 Pro­zent der Steu­er­zah­ler end­lich ent­las­tet, son­dern müss­ten wei­ter­zah­len.

Bun­des­rech­nungs­hof be­fürch­tet mil­li­ar­den­schwe­re Steu­er­rück­zah­lung

Für den Bun­des­rech­nungs­hof ist die Ge­fahr, dass der Bund wie im Fall der Kern­brenn­stoff­be­steue­rung zu einer mil­li­ar­den­schwe­ren Steu­er­rück­zah­lung ver­ur­teilt wird, "nicht von der Hand zu wei­sen". Denn die Er­he­bung der Er­gän­zungs­ab­ga­be er­for­de­re als Vor­aus­set­zun­gen eine fi­nan­zi­ell re­le­van­te Auf­ga­be des Bun­des, die vor­über­ge­hen­der Natur sei, sowie eine schwie­ri­ge Haus­halts­la­ge, die eine fi­nan­zi­el­le De­ckung die­ser Auf­ga­be aus den lau­fen­den Ein­nah­men nicht er­mög­li­che. "Die Zu­läs­sig­keit einer Er­gän­zungs­ab­ga­be be­schränkt sich somit auf einen tem­po­rä­ren be­son­de­ren Fi­nanz­be­darf für einen spe­zi­fi­schen Zweck. Der Bund darf sich kein zeit­lich un­be­grenz­tes Zu­schlags­recht im Be­reich der Steu­ern vom Ein­kom­men schaf­fen. Dies ist im Grund­ge­setz nicht vor­ge­se­hen", ar­gu­men­tier­te der Bun­des­rech­nungs­hof, der auch fest­stell­te: "Der So­li­da­ri­täts­zu­schlag hat 25 Jahre nach sei­ner Ein­füh­rung seine Fi­nan­zie­rungs­auf­ga­be - die Mit­fi­nan­zie­rung der Wie­der­ver­ei­ni­gung - er­füllt. Seine Auf­recht­erhal­tung würde ihn zu einem Fremd­kör­per in­ner­halb des Steu­er­sys­tems ma­chen."

Ver­band: Fi­nan­zie­rungs­be­darf der Wie­der­ver­ei­ni­gung vor­ge­scho­be­nes Ar­gu­ment

Der Ver­band der mit­tel­stän­di­schen Wirt­schaft be­zeich­ne­te den Hin­weis auf immer noch be­stehen­den Fi­nan­zie­rungs­be­darf der Wie­der­ver­ei­ni­gung als vor­ge­scho­be­nes Ar­gu­ment. Fi­nan­zi­el­le Spiel­räu­me seien in Zei­ten von Re­kord­steu­er­ein­nah­men vor­han­den. Der Ver­band der Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ver­wies auf die be­son­ders hohe Un­ter­neh­mens­steu­er­be­las­tung in Deutsch­land. Eine Voll­ab­schaf­fung des Zu­schlags würde hel­fen, not­wen­di­ge In­ves­ti­tio­nen durch­zu­füh­ren.

Brandt: Keine durch­grei­fen­den Be­den­ken gegen Ge­setz­ge­bungs­vor­ha­ben

Jür­gen Brandt (Ber­gi­sche Uni­ver­si­tät Wup­per­tal) er­klär­te, er habe keine durch­grei­fen­den Be­den­ken gegen das Ge­setz­ge­bungs­vor­ha­ben der Bun­des­re­gie­rung. Auch die kri­ti­sier­te Nicht­ein­be­zie­hung von Kör­per­schaft­steu­er­pflich­ti­gen bei der ge­plan­ten Ab­schmel­zung des So­li­da­ri­täts­zu­schlags stehe nicht im Wi­der­spruch zum ver­fas­sungs­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­ge­bot.

Steu­er­be­ra­ter­ver­band: So­li­da­ri­täts­zu­schlag in Spit­zen­steu­er­satz in­te­grie­ren

Katja Rietz­ler vom In­sti­tut für Ma­kro­öko­no­mie und Kon­junk­tur­for­schung der Hans-Böck­ler-Stif­tung er­klär­te, eine Teil­ab­schaf­fung des Zu­schlags sei kaum ge­eig­net, Be­zie­her un­te­rer Ein­kom­men zu ent­las­ten. So­weit ver­fas­sungs­recht­li­che Be­den­ken be­stehen wür­den, könne die­sen leicht durch die In­te­gra­ti­on des So­li­da­ri­täts­zu­schlags in die zu Grun­de lie­gen­den Steu­ern be­geg­net wer­den. Auch vom Steu­er­be­ra­ter­ver­band hieß es, man müsse sich Ge­dan­ken ma­chen, ob der So­li­da­ri­täts­zu­schlag in den Spit­zen­steu­er­satz in­te­griert wer­den könne.

In­sti­tut für Wirt­schafts­for­schung: Ge­setz­ge­ber geht in die rich­ti­ge Rich­tung

Das Deut­sche In­sti­tut für Wirt­schafts­for­schung Ber­lin stell­te in sei­ner Stel­lung­nah­me fest, drei Jahr­zehn­te nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung habe der So­li­da­ri­täts­zu­schlag seine Auf­ga­be er­füllt, die hohen Kos­ten der Trans­for­ma­ti­on in den neuen Bun­des­län­dern zu fi­nan­zie­ren. Mit der Ziel­set­zung, den So­li­da­ri­täts­zu­schlag ab 2021 für hohe Ein­kom­men wei­ter zu er­he­ben, gehe der Ge­setz­ge­ber in die rich­ti­ge Rich­tung. Mit­tel­fris­tig soll­te der Zu­schlag voll­stän­dig ab­ge­schafft wer­den, indem er auf hohe Ein­kom­men in den Ein­kom­men­steu­er­ta­rif in­te­griert werde. Die damit ver­bun­de­nen Steu­er­ein­nah­men in Höhe von sie­ben bis acht Mil­li­ar­den Euro soll­ten für Ent­las­tun­gen beim Grund­frei­be­trag, beim Mit­tel­stands­bauch der Ein­kom­men­steu­er, bei den So­zi­al­bei­trä­gen oder bei der Mehr­wert­steu­er ver­wen­det wer­den.

Redaktion beck-aktuell, 4. November 2019.

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