Das 2016 verschärfte Sexualstrafrecht
sollte nach Expertenansicht an mehreren Stellen nochmals überarbeitet
werden. Es stamme zum Teil aus den 1970er-Jahren, "deshalb ist noch
eine größere Reform notwendig", sagte der Tübinger Juraprofessor Jörg
Eisele der Deutschen Presse-Agentur. Der 47-Jährige gehört zu einer
Expertenkommission, die am 19.07.2017 ihren Abschlussbericht zu dem
neuen Gesetz an Justizminister Heiko Maas (SPD) überreichte.
Eisele weist auf Schwierigkeiten bei Beweisführung hin
2016 war der Vergewaltigungsparagraf im Sexualstrafrecht
überarbeitet worden. "Die Reform hat die meisten Regelungslücken
geschlossen", allerdings seien die Erwartungen zu hoch gewesen, etwa
bei der Ahndung sexueller Übergriffe, befand Eisele. "Wir werden im
Einzelfall immer Schwierigkeiten bei der Beweisführung nach einem
sexuellen Übergriff haben. Es sind nun etwa keine Gewaltspuren mehr
erforderlich. Um den entgegenstehenden Willen zu bekunden, reicht ein
erkennbares 'Nein' aus. Aber wenn es ein Nachweisproblem gibt, gilt
der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten."
Bericht hätte abgewartet werden sollen
Eisele sagte zu der im Juli 2016 vom Bundestag verabschiedeten und im
September 2016 auch vom Bundesrat gebilligten Reform, es wäre "sinnvoll
gewesen, den Abschlussbericht abzuwarten". Aufgrund des Drucks "verschiedener gesellschaftlicher Gruppen" sei es letztlich aber zu
einer zügigen Reform des Vergewaltigungstatbestands gekommen.
Neuer Straftatbestand der sexuellen Belästigung
Nach dem strengeren Sexualstrafrecht macht sich nicht nur strafbar,
wer Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Es soll ausreichen,
wenn sich der Täter über den "erkennbaren Willen" des Opfers
hinwegsetzt. Dann drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Neu ist
auch ein Straftatbestand der sexuellen Belästigung. Unter Strafe
gestellt werden zudem Straftaten aus einer Gruppe heraus wie bei den
Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht.
Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2017 (dpa).
Zum Thema im Internet
Den Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht finden Sie als pdf-Datei auf den Seiten des Bundesjustizministeriums.
Aus der Datenbank beck-online
Deckers: Zur Reform des Sexualstrafrechts durch das StÄG 2016, StV 2017, 410
Freudenberg, "Nein heißt Nein!" – Ist der Paradigmenwechsel möglich?, DRiZ 2016, 220
Illgner/Herning, "Ja heißt Ja" – Konsensorientierter Ansatz im deutschen Sexualstrafrecht, ZRP 2016, 77
Rebehn, "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel", DRiZ 2016, 198
Frommel, Für eine an der Istanbul-Konvention orientierte Auslegung der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung, ZRP 2016, 122
Aus dem Nachrichtenarchiv
Verschärftes Sexualstrafrecht in Kraft getreten, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 10.11.2016, becklink 2004892
Bundesrat billigt Reform des Sexualstrafrechts, Meldung der beck-aktuell-Redfaktion vom 23.09.2016, becklink 2004449
Bundestag stimmt für "Nein heißt Nein"-Prinzip im Sexualstrafrecht, Meldung der beck-aktuell-Redfaktion vom 07.07.2016, becklink 2003799
Rechtsausschuss beschließt: "Nein heißt Nein" im Sexualstrafrecht, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 06.07.2016, becklink 2003782
Bundesrat fordert Nachbesserung bei Reform des Sexualstrafrechts, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 13.05.2016, becklink 2003299