Europarechtler: EU kann Ungarns Auslandsvermögen beschlagnahmen

Im Streit mit Ungarn über die Aufnahme von Flüchtlingen hat die Europäische Union nach Einschätzung eines Rechtsexperten einen bislang ungenutzten juristischen Hebel. Wenn Ungarn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht akzeptiere, könne die EU in letzter Konsequenz Auslandsvermögen des Landes beschlagnahmen, sagte der Völker- und Europarechtler Stefan Lorenzmeier gegenüber "Zeit online" (Ausgabe vom 14.09.2017).

EU könnte zwangsvollstecken

"Grundstücke oder Gebäude, die dem ungarischen Staat gehören, sich aber auf EU-Territorium befinden, können enteignet und veräußert werden", sagte er. "Die EU könnte zwangsvollstecken, wenn Ungarn nicht zahlt." Der EuGH hatte eine Klage Ungarns und der Slowakei gegen die Umverteilung von Flüchtlingen in Europa abgewiesen. Die ungarische Regierung hatte daraufhin das Urteil mit scharfen Worten zurückgewiesen. Die EU-Kommission könnte nun ihrerseits vor dem EuGH durchsetzen, dass Ungarn sich an das Recht hält und dort Strafgelder verhängen lassen.

Strafgelder können auch eingetrieben werden

Lorenzmeier zufolge kann die EU solche Forderungen auch eintreiben. "Juristisch wäre so eine Maßnahme zulässig, wenn Ungarn sich weiterhin weigert, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes anzuerkennen", sagte der Jurist der Universität Augsburg laut "Zeit online".

Praktische Umsetzung fraglich

Ob dieser Hebel auch wirklich genutzt würde, ist allerdings fraglich, denn es wäre eine Eskalation, die das eigentliche Problem nicht löst. In Brüssel betonen Diplomaten, falls einzelne Mitglieder den EuGH wirklich ignorierten, wäre die EU in ihrer Rechtsordnung existenziell bedroht. Lorenzmeier sagte auch, die EU habe nicht die Option, Subventionsgelder zu kürzen, die aus dem EU-Haushalt nach Ungarn fließen. Dann würde die EU selbst Rechtsbruch begehen.

Redaktion beck-aktuell, 15. September 2017 (dpa).

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