Venedig-Kommission kritisiert Putins neue Verfassung

Die von Wladimir Putin initiierte Verfassungsänderung in Russland stößt auf Kritik. Durch die neue Fassung werde das russische Verfassungsgericht nicht nur anfällig für politischen Druck, weil Richter auf Anweisung des Präsidenten entfernt werden könnten, so die Experten der Venedig-Kommission. Sie zeigten sich am 18.06.2020 auch besorgt, weil das Land sich nicht mehr an alle Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte halten könnte.

Russland und EGMR geraten oft aneinander

Demnach regelt die geänderte Verfassung, dass Russland nur noch Urteile umsetzt, wenn sie nicht gegen die Verfassung des Landes verstoßen. Die Venedig-Kommission forderte die Streichung dieser Regelung. Russland gehört zu jenen Staaten, gegen die Bürger am meisten wegen Verletzung ihrer Menschenrechte klagen. Das Land muss zum Ärger vieler Politiker in Moskau immer wieder hohe Strafen zahlen. Viele Russen schätzen das Gericht in Straßburg als letzte Instanz, um Gerechtigkeit zu erhalten.

Neuregelung ermöglicht weitere Amtszeiten

Die Verfassungsänderung steht auch in der Kritik, weil sie Putin weitere Amtszeiten ermöglicht. Er könnte bis 2036 regieren. Die Opposition wirft ihm einen Verfassungsumsturz vor. Am 01.07.2020 entscheidet die Bevölkerung bei einem Referendum über die Annahme des neuen Werkes. Wahlbeobachter der unabhängigen Organisation Golos beklagten bereits vor der Abstimmung massive Verstöße gegen die Freiheiten der Wähler. Der Staat ignoriere mit seiner überall präsenten Agitation demonstrativ die Prinzipien der politischen Neutralität und verhindere Meinungsvielfalt.

Keine Möglichkeiten öffentlicher Auseinandersetzung

Es gebe auch wegen der Corona-Pandemie keine Möglichkeiten öffentlicher Auseinandersetzung mit den Änderungen, teilte Golos mit. Massenveranstaltungen wie Proteste seien verboten. Kritiker hätten keine Chance, sich Gehör zu verschaffen. Zudem kritisierte die Organisation den Druck auf Staatsbedienstete, beim Referendum ihre Stimme abzugeben.

Redaktion beck-aktuell, 19. Juni 2020 (dpa).