Systemimmanente Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in Polen
Die angenommene Empfehlung zur Rechtsstaatlichkeit ergänze die beiden vorherigen Empfehlungen, die am 27.07.2016 beziehungsweise am 21.12.2016 angenommen wurden, und beziehe sich auf das Fehlen einer unabhängigen und rechtmäßigen verfassungsrechtlichen Überprüfung in Polen. Bisher hätten die polnischen Behörden noch keine Maßnahmen ergriffen, um die in den ersten beiden Empfehlungen angesprochenen Missstände zu beseitigen. Die zusätzlichen Maßnahmen, die die polnischen Behörden nun getroffen haben, erhöhten die Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz und die systemimmanente Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in Polen weiter.
Strukturelle Aushöhlung der Unabhängigkeit der polnischen Justiz zu befürchten
Die Empfehlung zur Rechtsstaatlichkeit beziehe sich auf vier neue Rechtsakte, die das polnische Parlament erlassen habe und durch die sich die systemimmanente Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit in Polen laut der von der Kommission durchgeführten Bewertung weiter verschlimmern werde: das Gesetz über den obersten Gerichtshof und das Gesetz über den nationalen Justizrat (deren Unterzeichnung der polnische Staatspräsident am 24.07.2017 abgelehnt hat), das Gesetz über den Aufbau der ordentlichen Gerichte (das am 25.07.2017 vom polnischen Staatspräsidenten unterzeichnet wurde und in Kürze verkündet und in Kraft treten wird) und das Gesetz über die nationale Hochschule für Gerichtsbarkeit (das am 13.07.2017 veröffentlicht wurde und in Kraft getreten ist). In ihrer aktuellen Fassung würden diese Gesetze zu einer strukturellen Aushöhlung der Unabhängigkeit der polnischen Justiz führen und sich unmittelbar und äußerst negativ auf deren Funktionieren auswirken.
Vertragsverletzungsverfahren wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Vorbereitung
Das Kollegium der Kommissare habe zudem beschlossen, ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des möglichen Verstoßes gegen EU-Recht vorzubereiten. Das Kollegium sei bereit, ein Aufforderungsschreiben bezüglich des Gesetzes über die ordentlichen Gerichte zuzustellen, sobald dieses Gesetz amtlich verkündet wird. Die Hauptbedenken der Kommission im Zusammenhang mit diesem Gesetz beträfen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, da ein unterschiedliches Mindestalter für den Ruhestand für weibliche Richter (60 Jahre) und männliche Richter (65 Jahre) festgelegt werde. Dies verstoße gegen Art. 157 AEUV und die Richtlinie 2006/54 über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsfragen. In dem Aufforderungsschreiben will die Kommission zudem ihre Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit der polnischen Gerichte zum Ausdruck bringen.