Slowenische Zentralbank durfte zur Bankensanierung Finanzinstrumente löschen
2016 erklärte das slowenische Verfassungsgericht nationale Rechtsvorschriften für verfassungsgemäß, die die Zentralbank Sloweniens ermächtigten, bestimmte Finanzinstrumente zu löschen, wenn ein Kreditinstitut vom Konkurs bedroht und das Finanzsystem als Ganzes gefährdet ist. Allerdings stellte das Gericht fest, dass die besagten Rechtsvorschriften keine besonderen Verfahrensregeln für Schadensersatzklagen enthielten, die von ehemaligen Inhabern gelöschter Finanzinstrumente erhoben werden könnten. Daraufhin wurde ein Gesetz erlassen, das einen effektiven Rechtsschutz sicherstellen soll. Danach haftet die Zentralbank, wenn sich in einem anschließenden Gerichtsverfahren herausstellt, dass die Löschung nicht erforderlich war, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, oder dass die ehemaligen Inhaber von Finanzinstrumenten aufgrund dieser Löschung größere Verluste erlitten haben, als sie im Fall des Konkurses des betreffenden Finanzinstituts erlitten hätten. Ferner ist die Zentralbank verpflichtet, natürliche Personen, deren jährliche Einkünfte unterhalb einer bestimmten Schwelle liegen, zu entschädigen, wenn sie darauf verzichten, eine Entschädigung für diese Schäden auf einem anderen Rechtsweg zu erlangen.
Zentralbank Sloweniens hielt Haftung für unionsrechtswidrig
Zur Finanzierung der Haftungskosten sieht das Gesetz vor, dass die seit Anfang 2019 erzielten Gewinne für Sonderrücklagen verwendet werden müssen. Reichen diese nicht, muss die Zentralbank bis zu 50% ihrer allgemeinen Rücklage verwenden. Genügt auch dies nicht, muss sie für die erforderlichen Beträge bei den slowenischen Behörden Darlehen aufnehmen. Die Zentralbank Sloweniens legte Verfassungsbeschwerde in Bezug auf mehrere Bestimmungen des Gesetzes ein. Sie machte unter anderem geltend, dass die Vorschriften über ihre Haftung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar seien. Das slowenische Verfassungsgericht rief den EuGH an. Diese sollte die unionsrechtlichen Grenzen der Haftung einer dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) angehörenden nationalen Zentralbank aus Eigenmitteln für Schäden klären, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen gelöscht hat.
EuGH: Haftung bei schwerwiegender Sorgfaltspflichtverletzung unionsrechtskonform
Laut EuGH ist es Sache des betreffenden Mitgliedstaats, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die Haftung seiner nationalen Zentralbank aufgrund einer von ihr durchgeführten Sanierungsmaßnahme ausgelöst werden kann. Gleichwohl müssten diese Voraussetzungen mit dem Verbot der monetären Finanzierung gemäß Art. 123 AEUV vereinbar sein. Insoweit könne die Haftung offensichtlich nicht als unmittelbarer Erwerb von Schuldtiteln einer öffentlichen Einrichtung angesehen werden. In Betracht komme aber die Annahme, dass mit dieser Haftung im Ergebnis eine Verbindlichkeit des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten finanziert wird, was als monetäre Finanzierung anzusehen wäre. Jedoch könne bei einer Haftung einer nationalen Zentralbank für den Fall, dass sie ihr durch das nationale Recht auferlegten Sorgfaltspflichten bei Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe verletzt hat, grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass sie mit einer Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten verbunden ist. Dem EuGH zufolge ist somit die Haftung der slowenischen Zentralbank unionsrechtskonform, sofern sie nur hafte, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten schwerwiegend verletzt hat.
Entschädigungspflicht ohne Sorgfaltspflichtverletzung unionsrechtswidrig
Anders liege es bei der Entschädigungsverpflichtung der slowenischen Zentralbank allein aufgrund der Löschung. Bei Zahlung einer solchen Entschädigung aus Eigenmitteln übernehme sie im Ergebnis die Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors, da die Zahlungspflicht auf sozialpolitischen Entscheidungen beruhe. Die Entschädigungspflicht der slowenischen Zentralbank sei daher nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.
Gefährdung der Unabhängigkeit der Zentralbank durch Haftungskostenfinanzierung
Hinsichtlich der Finanzierung der Kosten der in Rede stehenden Haftungsregelungen weist der EuGH darauf hin, dass die grundlegenden Aufgaben des ESZB, zu denen die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik der Union gehörten, auch den nationalen Zentralbanken oblägen. Um an der Ausführung der Geldpolitik der Union mitzuwirken, erscheine die Bildung von Reserven durch die nationalen Zentralbanken jedoch unerlässlich, insbesondere um etwaige Verluste aus geldpolitischen Geschäften ausgleichen und Offenmarktgeschäfte finanzieren zu können. In diesem Zusammenhang sei die Entnahme eines Betrags aus den allgemeinen Rücklagen einer nationalen Zentralbank, der ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB beeinträchtigen könnte, in Verbindung damit, dass es ihr aufgrund einer systematischen Verwendung ihrer gesamten Gewinne zur Erstattung des von ihr verursachten Schadens nicht möglich sei, diese Rücklagen selbständig wieder aufzufüllen, geeignet, diese Zentralbank in eine Situation der Abhängigkeit von den politischen Stellen ihres Mitgliedstaats zu bringen. Laut EuGH sind daher Regelungen, nach denen eine Zentralbank in Höhe eines Betrags haftet, der ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte, und der nach der oben dargestellten Priorität geordnet finanziert wird, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.