EuGH zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei Straftätern

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Rahmen von drei Vorabentscheidungsersuchen aus Belgien, Österreich und den Niederlanden die Anforderungen an eine Aberkennung und Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft bei strafrechtlich verurteilten Drittstaatsangehörigen präzisiert. Es müsse sich um besonders schwere Straftaten handeln und eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit vorliegen, entschied der Gerichtshof.

Aberkennung nur bei erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit

In den Rechtsstreitigkeiten ging es konkret um die Anfechtung von Entscheidungen über die Aberkennung oder Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft von Drittstaatsangehörigen, die wegen einer als besonders schwer eingestuften Straftat verurteilt worden waren. In der belgischen Rechtssache (C-8/22) stellte der Gerichtshof klar, dass die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft erfordere, dass der Betroffene wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde und zudem feststehe, dass er eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstelle, in dem er sich aufhalte. Von der Gefahr könne allerdings nicht alleine wegen der Verurteilung ausgegangen werden. Nur wenn beide unionsrechtlichen vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt seien, könne der Mitgliedstaat – ohne dazu verpflichtet zu sein – von der Möglichkeit der Aberkennung Gebrauch machen. Hierbei sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Maßnahme muss verhältnismäßig sein

Der dabei vorzunehmenden Abwägung zwischen den Interessen des Flüchtlings und den Sicherheitsinteressen des Mitgliedstaats kam in der Rechtssache aus Österreich (C-663/21) entscheidende Bedeutung zu. Hierzu führte der Gerichtshof aus, dass die zuständige Behörde bei der Abwägung nicht verpflichtet sei, das Ausmaß und die Art der Maßnahmen zu berücksichtigen, denen der Drittstaatsangehörige bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ausgesetzt wäre.

EuGH präzisiert Anforderungen an "besonders schwere Straftat"

In der niederländischen Rechtssache (C-402/22) ging es um die Auslegung des Begriffs der "rechtskräftigen Verurteilung wegen einer besonders schweren Straftat". Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass darunter nur die Straftaten fallen, die die Rechtsordnung der betreffenden Gesellschaft am stärksten beeinträchtigten. Der Schweregrad könne nicht durch eine Kumulierung weniger schwerwiegender Straftaten erreicht werden. Die Beurteilung des Schweregrads beinhalte eine Würdigung sämtlicher besonderer Umstände des fraglichen Falls, wie etwa Art und Maß der angedrohten und erst recht der verhängten Strafe, die Art der begangenen Straftat, etwaige mildernde oder erschwerende Umstände, die Frage, ob diese Straftat vorsätzlich begangen wurde, Art und Ausmaß der durch die Straftat verursachten Schäden sowie die Art des Strafverfahrens zur Ahndung der Straftat.

EuGH, Urteil vom 06.07.2023 - C-8/22; C-663/21; C-402/22

Redaktion beck-aktuell, 6. Juli 2023.