EuGH: Zulage zur spanischen Invalidenrente mit Bezug Schweizer Altersrente vereinbar

Die Zulage zur Rente, die in Spanien dauerhaft vollständig berufsunfähigen Arbeitnehmern gewährt wird, ist mit dem Bezug einer Altersrente eines anderen Mitgliedstaats oder (wie hier) der Schweiz vereinbar. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 15.03.2018 entschieden. Obwohl es sich um Leistungen gleicher Art handele, sei die nach den spanischen Rechtsvorschriften vorgesehene Ruhensbestimmung auf diese Zulage nicht anwendbar (Az.: C-431/16).

Ausgangskläger erhielt Zulage zur spanischen Invalidenrente

Der Kläger des Ausgangsverfahrens bezieht eine spanische Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit. Für die Berechnung der Höhe dieser Rente wurden nur die in das spanische System der sozialen Sicherheit eingezahlten Beiträge berücksichtigt. Da der Ausgangskläger zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entscheidung, mit der ihm der Rentenanspruch zuerkannt wurde, älter als 55 Jahre war, wurde ihm eine Zulage in Höhe von 20% der für die Festsetzung der Höhe der Rente herangezogenen Bemessungsgrundlage gewährt. Denn die spanischen Rechtsvorschriften sehen eine solche Erhöhung der Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit vor, wenn der Arbeitnehmer mindestens 55 Jahre alt ist. 

Mit Bezug Schweizer Altersrente spanische Zulage gestrichen

Als der Ausgangskläger das 65. Lebensjahr vollendete, erhielt er ab März 2008 eine Altersrente aus der Schweizer Sozialversicherung. Diese Altersrente wurde ihm unter ausschließlicher Berücksichtigung der Beiträge gewährt, die er im Rahmen des Schweizer Pflichtversicherungssystems eingezahlt hatte. Im Februar 2015 strich das Nationale Institut für soziale Sicherheit (Instituto Nacional de la Seguridad Social, INSS) die Zulage mit der Begründung, dass diese Zulage nicht mit dem Bezug einer Altersrente vereinbar sei. Das INSS forderte vom Ausgangskläger Zulagen in Höhe von 17.340,95 Euro zurück.

Erstinstanzliches spanisches Gericht: Zulage vereinbar mit Schweizer Altersrente

Der Ausgangskläger klagte gegen diesen Bescheid und bekam Recht. Das Gericht hielt die Zulage für vereinbar mit dem Bezug einer Schweizer Altersrente. Denn gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Erwerbstätige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, könne eine Unvereinbarkeit nur dann vorliegen, wenn die nationalen Rechtsvorschriften zu diesem Zweck die Berücksichtigung der im Ausland erworbenen Leistungen und der dort erzielten Einkünfte vorsähen. Eine solche Norm gebe es aber im spanischen Recht nicht, so das Gericht.

INSS beruft sich auf Rechtsprechung des Obersten Gerichts zum Ruhen der Zulage

Das INSS legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel ein. Es machte geltend, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichts (Tribunal Supremo) die Zulage nicht nur zum Ruhen gebracht werde, wenn der Empfänger eine Beschäftigung ausübe, sondern auch dann, wenn er eine Altersrente in einem anderen Mitgliedstaat oder in der Schweiz beziehe, da eine solche Altersrente ein Ersatzeinkommen für die Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit darstelle. In Anbetracht der Uneinigkeit zwischen den nationalen Gerichten bat das Vorlagegericht den EuGH, die Verordnung auszulegen.

EuGH: Spanische Zulage und Schweizer Altersrente zwar Leistungen gleicher Art

Laut EuGH sind die dem Arbeitnehmer in Spanien gewährte Zulage in Höhe von 20% und die von ihm in der Schweiz erworbene Altersrente zwar als Leistungen gleicher Art im Sinne der Verordnung anzusehen. Der EuGH betont, dass diese Zulage eine Gruppe besonders schutzbedürftiger Arbeitnehmer schützen solle, und zwar Arbeitnehmer im Alter von 55 bis 65 Jahren, die eine dauerhafte vollständige Berufsunfähigkeit erlitten und Schwierigkeiten hätten, einen Arbeitsplatz in einem anderen Beruf als dem vorher von ihnen ausgeübten zu finden. Daraus folge, dass die Zulage in Höhe von 20% sowie die Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit Merkmale aufweisen, die den Leistungen bei Alter entsprächen, da sie darauf abzielten, diesen Arbeitnehmern während des Zeitraums ab der Feststellung der dauerhaften vollständigen Berufsunfähigkeit bis zum Rentenalter Existenzmittel zu sichern.

Spanische Ruhensbestimmung aber nicht anwendbar

Die spanische Bestimmung, die das Ruhen der Zulage vorsehe – eine nationale Antikumulierungsregelung, die eine Kürzungsbestimmung im Sinne der Verordnung darstelle –, sei auf diese Zulage aber nicht anwendbar, da diese nicht in einem Anhang dieser Verordnung (nämlich Anhang IV Teil D) aufgeführt ist, so der EuGH weiter. Denn diese Verordnung sehe unter anderem vor, dass die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehenen Kürzungsbestimmungen auf eine von dem nationalen Träger allein nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften berechnete Leistung (wie dies sowohl bei der Berechnung der Höhe der spanischen Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit als auch bei der Schweizer Altersrente der Fall war) nur angewandt werden, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt seien: Erstens müsse die Höhe der Leistung von der Dauer der zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten unabhängig sein (was das Vorlagegericht im Hinblick auf die Zulage prüfen müsse) und zweitens müsse die Leistung im oben genannten Anhang der Verordnung aufgeführt sein.

EuGH, Urteil vom 15.03.2018 - C-431/16

Redaktion beck-aktuell, 15. März 2018.

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