EuGH zu staatlichen Beihilfen: EuG muss "spanisches True-Lease-Modell" erneut prüfen

Das Gericht der Europäischen Union muss erneut darüber entscheiden, ob es sich bei dem sogenannten spanischen True-Lease-Modell zum Erwerb von Schiffen um eine rechtswidrige staatliche Beihilfe handelt. Der Europäische Gerichtshof hat die EuG-Entscheidung mit Urteil vom 25.07.2018 aufgehoben und die Rechtssache zurückverwiesen (Az.: C-128/16 P).

"Spanisches True-Lease-Modell" zum Erwerb von Schiffen

Ab Mai 2006 gingen bei der Kommission mehrere Beschwerden über das sogenannte spanische True-Lease-Modell (SEAF) ein. Mit ihnen wurde gerügt, dass dieses Modell es den Reedereien ermögliche, von spanischen Schiffswerften gebaute Schiffe mit einem Preisnachlass zwischen 20% und 30% zu erwerben, was sich negativ auf die Verkäufe der Schiffswerften anderer Mitgliedstaaten auswirke. Das SEAF beruhte auf einer rechtlichen und finanziellen Einheit, die von einer Bank, die als Vermittlerin zwischen einer Reederei (Käufer) und einer Schiffswerft (Verkäufer) fungierte, ad hoc gegründet wurde. Die Bank schaltete im Rahmen des Verkaufs des Schiffs eine Leasinggesellschaft und eine von der Bank gegründete wirtschaftliche Interessenvereinigung (WIV) zwischen. Letztere veräußerte an Investoren Beteiligungen an der WIF, die das Schiff ab dessen Baubeginn von einer Leasinggesellschaft leaste und es anschließend im Rahmen eines Bareboat-Chartervertrags an die Reederei verleaste.

Modell bezweckte Erlangung steuerlicher Vorteile

Der Zweck dieser Ausgestaltung bestand darin, Steuervorteile für die an der WIV beteiligten Investoren zu schaffen und einen Teil dieser Vorteile (in Höhe von 85% bis 90%) an die Reederei in Form eines Nachlasses auf den Schiffspreis weiterzugeben, wobei den Investoren die übrigen Vorteile (von 10% bis 15%) als Investitionsrendite verblieben. Die Vorteile ergaben sich aus fünf steuerlichen Maßnahmen für Finanzierungs-Leasingverträge (beschleunigte Abschreibung und - genehmigungsabhängig - vorzeitige Abschreibung bestimmter Waren), für die WIV (steuerliche Transparenz) und für Tätigkeiten auf See (spezielle Tonnagebesteuerung).

Kommission stellte rechtswidrige staatliche Beihilfen fest

Die Kommission vertrat die Ansicht, dass drei der fünf geprüften steuerlichen Maßnahmen eine staatliche Beihilfe für die WIV und ihre Investoren darstellten, die Spanien ab dem 01.01.2002 rechtswidrig gewährt habe. Die Beihilfe wurde für teilweise mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt. Zur Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verlangte die Kommission die Rückforderung der Beihilfe nur im Rahmen bestimmter Transaktionen. Ihre Rückforderung wurde nur von den Investoren angeordnet, ohne dass diese Begünstigten die damit verbundene Belastung an andere Personen weitergeben konnten.

EuG erklärte Kommissionsbeschluss für nichtig

Spanien, Lico Leasing (ein Finanzinstitut, das in eine Reihe am SEAF beteiligter WIV investiert hat) sowie Pequeños y Medianos Astilleros Sociedad de Reconversión (ein Unternehmen, das mit kleinen und mittleren Schiffswerften zusammenarbeitet, um es ihnen zu ermöglichen, ihre gewerblichen Ziele angemessen zu verwirklichen) beantragten beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission. Das Gericht erklärte den Beschluss der Kommission für nichtig. Die Kommission beantragte daraufhin beim EuGH die Aufhebung des EuG-Urteils.  

EuGH: Gericht schloss WIV zu Unrecht als Begünstigte einer staatlichen Beihilfe aus

Der EuGH hat das Urteil des Gerichts aufgehoben und die Rechtssache an dieses zurückverwiesen. Das EuG habe unzutreffend angenommen, dass die WIV allein deswegen nicht die Begünstigten einer staatlichen Beihilfe sein könnten, weil aufgrund ihrer steuerlichen Transparenz nicht sie, sondern die Investoren in den Genuss der steuerlichen und wirtschaftlichen Vorteile aus den fraglichen steuerlichen Maßnahmen gekommen seien. Dabei habe es die Regelung des Beihilfeverbots in Art. 107 Abs. 1 AEUV falsch ausgelegt. Denn da die WIV eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hätten, stellten sie Unternehmen im Sinne der Vorschrift dar. Es seien die WIV, die bei der Steuerverwaltung die vorzeitige Abschreibung geleaster Vermögenswerte beantragt und erhalten hätten und die dafür optiert hätten, anstelle des normalen Körperschaftsteuersystems die Tonnagebesteuerung anzuwenden. Außerdem seien es die WIV, die in zwei Phasen durch die Kombination der fraglichen steuerlichen Maßnahmen steuerliche Vorteile erzielt hätten.

WIV unmittelbar Begünstigte der steuerlichen Vorteile

Die daraus hervorgegangenen wirtschaftlichen Vorteile seien zwar in vollem Umfang auf die Mitglieder der WIV übergegangen, doch seien die fraglichen steuerlichen Maßnahmen auf die WIV angewandt worden, und sie seien die unmittelbaren Begünstigten der damit verbundenen Vorteile gewesen. Diese Vorteile hätten die von ihnen ausgeübte Tätigkeit des Erwerbs von Schiffen mittels Leasingverträgen, insbesondere zwecks ihrer Bareboat-Charter und ihres späteren Wiederverkaufs begünstigt. Das Gericht habe somit dadurch, dass es allein aufgrund der Rechtsform der WIV und der daran anknüpfenden Regeln über die Besteuerung der Gewinne ausgeschlossen hat, dass sie Begünstigte staatlicher Beihilfen sein können, die Rechtsprechung außer Acht gelassen, wonach die Qualifizierung einer Maßnahme als "staatliche Beihilfe" weder von der Rechtsform der betroffenen Unternehmen noch von den verwendeten Techniken abhängen könne.  

Selektivität fälschlich nur in Bezug auf die Investoren geprüft  

Da die vom Gericht vorgenommene Prüfung auf der unzutreffenden Prämisse beruhe, dass nur die Investoren und nicht die WIV als Begünstigte der Vorteile aus den fraglichen steuerlichen Maßnahmen hätten angesehen werden können, sei die Voraussetzung der Selektivität fälschlich in Bezug auf die Investoren und nicht auf die WIV geprüft worden, so der EuGH weiter.  

Annahme fehlender Selektivität in Bezug auf Investoren auch fehlerhaft  

Überdies habe sich das Gericht bei seiner Prüfung dieser Voraussetzung auch auf zwei EuG-Urteile gestützt, die später vom EuGH aufgehoben worden seien. Dem Gericht sei daher ein Rechtsfehler unterlaufen, als es entschieden habe, dass die Vorteile der an den Transaktionen im Rahmen des SEAF beteiligten Investoren nicht als selektiv angesehen werden könnten, weil diese Transaktionen jedem Unternehmen unter gleichen Bedingungen unterschiedslos offenstünden, ohne dass es geprüft habe, ob die Kommission dargetan hatte, dass die fraglichen steuerlichen Maßnahmen durch ihre konkreten Wirkungen zu einer Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern führten, obwohl sich die durch die Steuervorteile begünstigten und die von ihnen ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf das mit dieser Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befanden.  

Kommissionsbeschluss weist keine Begründungsmängel auf  

Schließlich führt der EuGH aus, dass der Beschluss der Kommission entgegen dem vom Gericht gezogenen Schluss weder mit einem Begründungsmangel behaftet noch widersprüchlich begründet sei.

EuGH, Urteil vom 25.07.2018 - C-128/16

Redaktion beck-aktuell, 26. Juli 2018.

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