Zentralbankpräsidenten nicht gegen Korruptionsverfolgung immun

Die Immunität von Zentralbankpräsidenten kann im Fall von Korruptionsvorwürfen innerhalb der Eurozone aufgehoben werden. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union in Bezug auf eine Anklage des früheren Präsidenten der lettischen Zentralbank am 30.11.2021 entschieden. Die Richter urteilten, dass Betrug, Geldwäsche und Korruption grundsätzlich nicht zu den amtlichen Handlungen eines Zentralpräsidenten gehörten und den Interessen der EU widersprächen. Daher könne man diese Vorwürfe strafrechtlich verfolgen.

Verfahren gegen früheren Präsidenten der lettischen Zentralbank

Hintergrund des Urteils war ein Verfahren gegen den früheren Präsidenten der lettischen Zentralbank. Ihm wurde 2018 vorgeworfen, zwei Bestechungsgeschenke im Zusammenhang mit einem aufsichtsrechtlichen Verfahren betreffend eine lettische Bank angenommen und das aus einem dieser Bestechungsgeschenke stammende Geld gewaschen zu haben. Als Präsident der Zentralbank Lettlands war er, dessen letzte Amtszeit als Zentralbankpräsident im Dezember 2019 endete, auch Mitglied des Erweiterten Rates und des Rates der Europäischen Zentralbank. In Anbetracht dieser Besonderheit hatte das Bezirksgericht Riga Zweifel, ob er aufgrund seiner Eigenschaft als Mitglied des Erweiterten Rates und des Rates der EZB Immunität nach Art. 11 Buchst. a des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union in Anspruch nehmen kann, der den Beamten und sonstigen Bediensteten der Union für alle in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen eine Befreiung von der Gerichtsbarkeit gewährt. Das Bezirksgericht Riga beschloss daher, dem Gerichtshof diese Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. 

Immunität war hier aufzuheben

Der Europäische Gerichtshof urteilte nun, dass diese Immunität aufzuheben sei, wenn die Interessen der EU gefährdet seien. Was den Zweck und den Umfang des in Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen vorgesehenen Schutzes anbelangt, werde nach Art. 17 Abs. 1 dieses Protokolls die Befreiung von der Gerichtsbarkeit ausschließlich im Interesse der Union gewährt. Art. 17 Abs. 2 dieses Protokolls setze diesen Grundsatz um, indem er vorsehe, dass jedes Organ der Union diese Befreiung in allen Fällen aufzuheben habe, in denen dies nach seiner Auffassung den Interessen der Union nicht zuwiderläuft. 

Zuständigkeit für die Aufhebung

Somit obliege es allein der EZB, wenn sie mit einem Ersuchen um Aufhebung der Befreiung eines Präsidenten einer Zentralbank von der Gerichtsbarkeit im Hinblick auf ein laufendes nationales Strafverfahren befasst ist, zu beurteilen, ob die Aufhebung der Befreiung den Interessen der Union zuwiderläuft. Dagegen teilen die EZB und die für das Strafverfahren gegen einen Präsidenten einer nationalen Zentralbank zuständige Behörde die Zuständigkeit für die Feststellung, ob etwaige strafbare Handlungen von dem Zentralbankpräsidenten in amtlicher Eigenschaft als Mitglied eines Organs der EZB vorgenommen wurden und daher in den Anwendungsbereich der in Art. 11 Buchst. a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen vorgesehenen Befreiung von der Gerichtsbarkeit fallen.

EuGH, Urteil vom 30.11.2021 - C-3/20

Redaktion beck-aktuell, 30. November 2021 (dpa).

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