Vorschriften über öffentliche Auftragsvergabe können auch für Fußballverband gelten

Für einen nationalen Sportverband wie den italienischen Fußballverband können die Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe gelten, sofern er im Allgemeininteresse liegende Tätigkeiten nicht gewerblicher Art ausübt. Dies hat der Europäische Gerichtshof am 03.02.2021 klargestellt. Ein solcher Verband müsse allerdings der Aufsicht einer öffentlichen Einrichtung wie des italienischen Nationalen Olympischen Komitees unterstehen.

Bieter monierte Verfahrens-Modalitäten

Die Federazione Italiana Giuoco Calcio (Italienischer Fußballverband, im Folgenden: FIGC) führte im zugrunde liegenden Fall ein Verhandlungsverfahren durch, um Trägerdienstleistungen im Rahmen der Begleitung der nationalen Fußballmannschaften und im Lager der FIGC für eine Dauer von drei Jahren zu vergeben. Nach Abschluss dieses Verfahrens klagte einer der erfolglosen Bieter bei dem regionalen Verwaltungsgericht, um die Modalitäten der Durchführung dieses Verfahrens anzufechten. Seiner Ansicht nach ist die FIGC als Einrichtung des öffentlichen Rechts anzusehen, sodass sie die in der Regelung für die Vergabe öffentlicher Aufträge vorgesehenen Bekanntmachungsregeln hätte einhalten müssen.

Italienischer Fußballverband "Einrichtung des öffentlichen Rechts"?

Da das regionale Verwaltungsgericht der Klage stattgab und die Vergabe des betreffenden Auftrags aufhob, haben die FIGC und die Einrichtung, an die sie den Auftrag vergeben hatte, beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) jeweils Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt. Vor dem Staatsrat beanstandeten sie unter anderem, die Einstufung der FIGC als "Einrichtung des öffentlichen Rechts". Der Consiglio di Stato (Staatsrat) legte dem EuGH vor diesem Hintergrund Fragen zur Auslegung der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (RL 2014/24/EU) zur Vorabentscheidung vor. Der Staatsrat möchte insbesondere wissen, ob die FIGC bestimmte Voraussetzungen der Richtlinie erfüllt, um als "Einrichtung des öffentlichen Rechts" eingestuft werden zu können.

Zwei Fragen vorgelegt

Im Einzelnen ersuchte das vorlegende Gericht den EuGH darum, zum einen die Voraussetzung auszulegen, dass eine "Einrichtung des öffentlichen Rechts" zu dem besonderen Zweck gegründet worden sein muss, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen (Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a RL 2014/24), und zum anderen die Voraussetzung, dass die Leitung einer solchen Einrichtung der Aufsicht einer öffentlichen Einrichtung unterstehen muss (Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c RL 2014/24).

Öffentliche Aufgaben durch nationale Regelung ausdrücklich zugewiesen

Der EuGH stellt in seinem Urteil fest, dass die im Allgemeininteresse liegende Tätigkeit, die der Sport darstellt, in Italien von den nationalen Sportverbänden im Rahmen der öffentlichen Aufgaben ausgeübt wird, die ihnen durch die nationale Regelung ausdrücklich zugewiesen sind. Er weist darauf hin, dass mehrere dieser Aufgaben nicht gewerblicher Art zu sein scheinen.

Ausübung auch "anderer Tätigkeiten" irrelevant

Der EuGH schloss daraus, dass bei einem nationalen Sportverband wie der FIGC angenommen werden könne, dass er zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, sofern der Verband diese Aufgaben tatsächlich wahrnimmt. Dies werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die FIGC zum einen die Rechtsform eines privatrechtlichen Vereins habe und zum anderen neben den im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeiten, die in der nationalen Regelung abschließend aufgeführt sind, andere Tätigkeiten ausübe, die einen Großteil ihrer gesamten Tätigkeiten bilden und eigenfinanziert seien.

In Italien nationalen Sportverbänden Leitungsautonomie gewährt

Ferner führte der EuGH aus, dass eine öffentliche Verwaltungsstelle, die im Wesentlichen zur Aufgabe hat, auf dem Gebiet des Sports Regeln aufzustellen, deren ordnungsgemäße Anwendung zu prüfen und nur auf der Ebene der Organisation von Wettkämpfen und der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele einzugreifen, ohne die Organisation und die alltägliche Ausübung der verschiedenen Sportdisziplinen zu regeln, nach dem ersten Anschein nicht als ein hierarchisches Organ angesehen werden kann, das befähigt ist, die Leitung der nationalen Sportverbände zu kontrollieren und zu führen. Die den nationalen Sportverbänden in Italien gewährte Leitungsautonomie scheine a priori gegen eine aktive Aufsicht des Comitato Olimpico Nazionale Italiano (Italienisches Nationales Olympisches Komitee, im Folgenden: CONI) zu sprechen, die so weit ginge, dass das CONI in der Lage wäre, die Leitung eines nationalen Sportverbands wie der FIGC insbesondere im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beeinflussen.

Vermutung kann noch widerlegt werden

Allerdings könne eine solche Vermutung widerlegt werden. Unter Hinweis darauf, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob eine Verbindung, die mit einer solchen Einflussmöglichkeit einhergeht, besteht, gab der EuGH dem vorlegenden Gericht mit seinem Urteil sachdienliche Hinweise für seine Entscheidung. Insoweit wies er unter anderem darauf hin, dass zur Beurteilung der Frage, ob eine aktive Aufsicht des CONI über die Leitung der FIGC und eine Möglichkeit der Einflussnahme des CONI auf die Entscheidungen der FIGC im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge vorliegen, die verschiedenen Befugnisse des CONI gegenüber der FIGC im Wege einer Gesamtwürdigung zu prüfen sind. Ferner stellte er fest, dass in dem Fall, dass eine Aufsicht des CONI über die Leitung der nationalen Sportverbände bejaht wird, der Umstand, dass diese Verbände die Tätigkeit des CONI dadurch beeinflussen können, dass sie mehrheitlich an dessen wichtigsten Organen beteiligt sind, nur dann maßgeblich wäre, wenn sich feststellen ließe, dass jeder dieser nationalen Sportverbände für sich genommen in der Lage ist, einen so erheblichen Einfluss auf die vom CONI über seine Leitung geführte Aufsicht auszuüben, dass diese Aufsicht neutralisiert und er damit die Entscheidungshoheit über seine Leitung wiedererlangen würde.

EuGH, Urteil vom 03.02.2021 - C-155/19

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2021.