EuGH-Vorlage zur internationalen Zuständigkeit bei deliktischer Haftung

Ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine auf Schadensersatz gerichtete Klage eröffnet, wenn in Deutschland getäuscht und auf dieser Grundlage in Bulgarien ein Kfz-Kaufvertrag geschlossen wird? Diese Frage hat der Bundesgerichtshof am 13.10.2020 dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Firma kaufte Porsche aus Bulgarien

Eine Käuferin machte nach dem Kauf eines Porsche 911 Turbo Schadensersatzansprüche gegen die in Bulgarien ansässige Verkäuferin, eine GmbH, geltend. Ihr Geschäftsführer war über eine Internetplattform auf das Fahrzeug aufmerksam geworden. Das Inserat hatte folgenden Inhalt: "Keine Kratzer, keine Beulen, reines Schönwetterfahrzeug in makellosem Bestzustand" (.) "Technisch und optisch sehr guter Zustand, ohne Mängel (...)". Nach Rücksprache mit dem Vertreter der GmbH in Deutschland zahlte sie den Kaufpreis von rund 60.000 Euro. Der Geschäftsführer fuhr dann nach Bulgarien, um das Fahrzeug abzuholen. Dort unterschrieb er - des Bulgarischen nicht mächtig - einen in bulgarischer Sprache abgefassten Kaufvertrag. Besprochen wurde, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einmal gestohlen worden war. In dem Kaufvertrag wurde zusätzlich auf schwere Unfallschäden hingewiesen. Die Firma sah sich getäuscht und machte Ansprüche aus § 823 II BGB iVm § 263 StGB geltend.

OLG verneint internationale Zuständigkeit

Das LG Hannover bejahte seine internationale Zuständigkeit in dieser Sache und gab der Klage statt. Die hiergegen erhobene Berufung hatte allerdings vor dem OLG Celle Erfolg: Die internationale Zuständigkeit des LG Hannover sei nicht gegeben. Der Anspruch aus Delikt stehe in enger Verbindung zum in Bulgarien geschlossenen Vertrag und sei ohne Rückgriff auf diesen und die Umstände der Übergabe nicht zu klären.  Nach Art. 7 Abs. 1 EuGVVO seien damit die bulgarischen Gerichte zuständig. Der deliktische Gerichtsstand aus Abs. 2 trete dahinter zurück.

BGH: Vorlage - Gerichtszuständigkeit bei Betrug im Ausland

Der BGH setzte das Verfahren aus und bat den EuGH um Vorabentscheidung. Die Karlsruher Richter machten ihre Zweifel an der Entscheidung des OLG deutlich: Die Klage sei rein auf einen deliktischen Anspruch gestützt worden. Zwar komme es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht allein darauf an, ob die betreffende Klage nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaats deliktsrechtlicher Natur sei. Dem VI. Zivilsenat zufolge sind die Begriffe Vertrag und unerlaubte Handlung autonom und unter Berücksichtigung der Systematik und Zielsetzung der Verordnung auszulegen, um ihre einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu sichern. Dementsprechend sei bei einer zivilrechtlichen Klage, mit der Schadensersatz begehrt werde, immer auch zu prüfen, ob die Ansprüche vertraglicher Natur sein könnten.

Die Käuferin stütze ihre Klage aber nicht unmittelbar auf eine Verpflichtung aus einem abgeschlossenen Vertrag, sondern auf die behauptete unerlaubte Handlung im Vorfeld des Vertragsschlusses. Der Vertrag sei hier "nur insoweit von Bedeutung, als er zugleich Ziel und Folge der Täuschung" sei.

BGH, Beschluss vom 13.10.2020 - VI ZR 63/19

Redaktion beck-aktuell, 4. November 2020.