EuGH soll Fragen zu Warnhinweisen beim Zigarettenkauf aus Automaten klären
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Dürfen mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehene Zigarettenpackungen so in neutralen Warenausgabeautomaten an der Supermarktkasse angeboten werden, dass der Kunde die Warnhinweise erst nach der Warenausgabe wahrnehmen kann? Diese und andere Fragen zur Tabakrichtlinie hat der Bundesgerichtshof am 25.06.2020 dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.

Zigarettenausgabeautomat im Supermarkt zeigt keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise

Der von einem eingetragenen Verbraucherverein beklagte Unternehmer betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten, die durch Druck auf eine Taste die gewünschte Zigarettenmarke auswerfen. Die Zigarettenpackungen sind zwar mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen, sind jedoch für den Kunden so lange nicht sichtbar, die die Packung von einer Ausgabevorrichtung direkt auf das Kassenband befördert wird. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten zeigen Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung von Zigarettenpackungen, aber keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Klage des Verbrauchervereins war in den Vorinstanzen erfolglos

Der Kläger nahm den Beklagten wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 TabakerzV nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2014/40/EU und  §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch. Die Klage ist in den Instanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht urteilte, der Beklagte habe nicht gegen das in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV geregelte Verdeckungsverbot verstoßen. Der Wortlaut der Vorschrift erfasse nur eine Verdeckung der Warnhinweise auf der Verpackung und nicht eine Verdeckung der Verpackung insgesamt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen. Nationale Vorschriften über die heimischen Verkaufsmodalitäten oder heimische Werbung seien nicht Gegenstand der Richtlinie.

OLG: Wahrnehmung der Hinweise vor Kaufabschluss ausreichend

Das Vorrätighalten der Zigarettenpackungen sei für sich genommen weder als Inverkehrbringen im Sinn von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU noch als Anbieten im Sinn von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen. Es sei ausreichend, wenn der Kunde die Zigarettenpackung mit den gesundheitsbezogenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrages wahrnehmen könne. Hierzu habe der Kunde ausreichend Gelegenheit, wenn sich das Tabakerzeugnis auf dem Kassenband befinde. Dem Verbraucher werde daher auch keine wesentliche Information im Sinn von § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG vorenthalten. Es liege ferner kein Verstoß des Beklagten gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV vor, weil diese Vorschrift unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahin auszulegen sei, dass sie für reine Verkaufsmodalitäten nicht gelte. Der Kläger legte Revision ein.

BGH sieht Klärungsbedarf  

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU zur Vorabentscheidung vorgelegt: Der Gerichtshof müsse zum einen klären, ob eine Zigarettenpackung bereits dann in Verkehr gebracht werde, wenn sie in einem Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten werde. Zum anderen sei zu klären, ob die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Zigarettenpackung durch "sonstige Gegenstände" verdeckt würden, wenn sich die ganze Zigarettenpackung nicht sichtbar in einem Warenausgabeautomaten befinde.

Reicht Wahrnehmbarkeit der Warnhinweise vor Kaufabschluss aus?

Außerdem sei klärungsbedürftig, ob ein Bild einer Zigarettenpackung vorliege, wenn eine Abbildung zwar keine naturgetreue Zigarettenpackung zeige, der Verbraucher die Abbildung aber aufgrund ihrer Gestaltung gedanklich mit einer Zigarettenpackung in Verbindung bringe. Schließlich habe der EuGH die Frage zu beantworten, ob den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt werde, wenn der Verbraucher die Zigarettenpackung mit den vorgeschriebenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrags wahrnehmen könne.

BGH, Beschluss vom 25.06.2020 - I ZR 176/19

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2020.