EuGH muss über Folgen eines Reiserücktritts wegen Covid 19 entscheiden
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Der für Pauschalreiserecht zuständige Zehnte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zur Auslegung von Art. 12 Abs. 2 der EU-Pauschalreise-Richtlinie (Nr. 2015/2302) zu den Folgen eines Reiserücktritts wegen Covid 19 vorgelegt. Es geht um die Frage, ob bei einem Reiserücktritt auch nach dem Rücktritt auftretende Umstände für die Frage einer möglichen Entschädigung des Reiseveranstalters zu berücksichtigen sind.

Kläger verlangt Geld zurück

Der Kläger buchte bei der Beklagten im Januar 2020 eine Reise nach Japan vom 03. bis 12.04.2020 zu einem Gesamtpreis von 6.148 Euro. In Japan waren Anfang Februar Schutzmasken im gesamten Land ausverkauft. Ende Februar schlossen die großen Vergnügungsparks, sportliche Großveranstaltungen fanden nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und wurden schließlich ganz abgesagt. Am 27.02.2022 wurde beschlossen, sämtliche Schulen bis mindestens Anfang April zu schließen. Der Kläger trat am 01.03.2020 von der Reise zurück. Die Beklagte berechnete Stornokosten in Höhe von 1.537 Euro (25% des Reisepreises), die der Kläger bezahlte. Am 26.03.2020 erging für Japan ein Einreiseverbot. Der Kläger verlangte daraufhin die Rückzahlung des bereits geleisteten Betrags. Vor dem Amtsgericht hatte er Erfolg, vor dem Landgericht hingegen weit überwiegend nicht.

Entschädigungsanspruch für Reiseveranstalter nach Rücktritt?

Der BGH verwies die Sache nun an den EuGH. Die Begründetheit der Klage hänge davon ab, ob die beklagte Reiseveranstalterin dem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Reisepreises einen Anspruch auf Entschädigung nach § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten könne. Einen solchen Entschädigungsanspruch sehe das Gesetz als regelmäßige Folge für den Fall vor, dass der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktritt. Der Anspruch sei aber nach § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Streitpunkt: Folgen des Zeitpunkts des Rücktritts

In Instanzrechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob Umstände dieser Art bereits im Zeitpunkt des Rücktritts vorgelegen haben müssen, oder ob der Entschädigungsanspruch auch dann ausgeschlossen ist, wenn solche Umstände erst nach der Rücktrittserklärung aufgetreten sind. Im Streitfall hatte das Landgericht auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abgestellt und angenommen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Zeitpunkt des Rücktritts am 01.03.2020 noch nicht hinreichend wahrscheinlich war. Der BGH hält diese Beurteilung für fehlerhaft, weil das LG sich nicht mit der Frage befasst habe, ob die ungewöhnliche Art und Anzahl der bis zum 01.03.2020 in Japan getroffenen Maßnahmen schon damals hinreichende Anhaltspunkte für eine erhebliche Infektionsgefahr begründet hatten. Zur abschließenden Klärung dieser Frage müsste er die Sache an das Landgericht zurückverweisen.

EuGH-Vorlage statt Zurückverweisung

Eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wäre laut BGH hingegen entbehrlich, wenn der Entschädigungsanspruch schon wegen des nach dem Rücktritt am 26.03.2020 angeordneten Einreiseverbots ausgeschlossen wäre. Der BGH neigt der Auffassung zu, dass (auch) nach dem Rücktritt aufgetretene Umstände dieser Art zu berücksichtigen sind. Er hat die Frage dem EuGH auch deshalb vorgelegt, weil aufgrund einer Vorlage des österreichischen Obersten Gerichtshofs vom 25.01.2022 (8Ob130/21g) nicht hinreichend klar ist, ob Art. 12 Abs. 2 der Pauschalreise-Richtlinie, deren Umsetzung § 651h BGB dient, in diesem Sinne auszulegen ist.

BGH, Beschluss vom 02.08.2022 - X ZR 53/21

Gitta Kharraz, 2. August 2022.