EuGH: Vorgabe bestimmter Sprachen für Stellenbewerbungen bei EU-Organen nur unter engen Voraussetzungen

Die Vorgabe bestimmter Sprachen in Stellenbewerbungsverfahren bei EU-Organen ist grundsätzlich unzulässig. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 26.03.2019 entschieden. Eine Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache sei aber zulässig, wenn sie einem dienstlichen Interesse entspricht, in angemessenem Verhältnis zu ihm steht und mit klaren, objektiven und vorhersehbaren Kriterien begründet ist (Az.: C-377/16 und C-621/16 P).

Spanien rügte Sprachvorgaben für Bewerbungen als Fahrer

In der Rechtssache C-377/16 beanstandete Spanien eine Aufforderung des EU-Parlaments für Bewerbungen als Fahrer. Das Einschreibungsformular war nur in englischer, französischer und deutscher Sprache verfügbar. Außerdem mussten Bewerber neben gründlichen Kenntnissen einer der 24 EU-Amtssprachen ("Sprache 1" des Auswahlverfahrens) ausreichende Kenntnisse der deutschen, der englischen oder der französischen Sprache ("Sprache 2") vorweisen. Das Parlament machte für die Beschränkung der "Sprache 2" ein dienstliches Interesse geltend, da die neuen Mitarbeiter in ihrer Arbeit sofort wirksam kommunizieren können müssten. Außerdem würden diese drei Sprachen im Parlament am meisten verwendet. Spanien rügte eine Diskriminierung aufgrund der Sprache und verlangte die Aufhebung der Aufforderung.

Italien monierte Sprachvorgaben für Personalauswahlverfahren

In der Rechtssache C-621/16 P geht es um zwei Bekanntmachungen allgemeiner Auswahlverfahren des Europäischen Amts für Personalauswahl (EPSO). Die "Sprache 2" der Auswahlverfahren war hier ebenfalls auf Englisch, Französisch und Deutsch beschränkt. Ferner mussten die Bewerber mit dem EPSO in einer dieser drei Sprachen kommunizieren. Auf Klagen Italiens hin erklärte das Gericht der Europäischen Union (BeckRS 2016, 82338) die Bekanntmachungen für nichtig. Dagegen legte die Kommission ein Rechtsmittel ein.

EuGH: Sprachvorgaben müssen strenge Anforderungen erfüllen

Der EuGH hat die Aufforderung des EU-Parlaments für Bewerbungen als Fahrer und die gemäß dieser Aufforderung erstellte Datenbank für nichtig erklärt. Außerdem hat er das Rechtsmittel der Kommission gegen das EuG-Urteil zurückgewiesen. Das Beamtenstatut verbiete Diskriminierungen aufgrund der Sprache. Ungleichbehandlungen aufgrund der Sprache könnten aber durch ein legitimes Ziel von allgemeinem Interesse wie dem dienstlichen Interesse oder den tatsächlichen Erfordernissen in Bezug auf die Amtsausübung der eingestellten Personen gerechtfertigt sein. Der EuGH betont, dass die Organe im Rahmen eines Auswahlverfahrens über ein weites Ermessen bei der Bewertung der zu berücksichtigenden Qualifikationen und Verdienste der Bewerber verfügten. Sie müssten jedoch gewährleisten, dass jede Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache dem dienstlichen Interesse entspricht, in angemessenem Verhältnis zu ihm steht und durch klare, objektive und vorhersehbare Kriterien begründet ist, damit die Bewerber die Gründe für die Ungleichbehandlung verstehen und die Unionsgerichte ihre Rechtmäßigkeit überprüfen könnten.

Sprachvorgaben für Ausfüllen des Einschreibungsformulars unzulässig

In der Rechtssache C-377/16 habe es keinen Hinweis darauf gegeben, dass das nur in englischer, französischer und deutscher Sprache verfügbare Einschreibungsformular in jeder Amtssprache der Union ausgefüllt werden konnte, so dass die Bewerber bei vernünftiger Betrachtung davon ausgehen durften, dass das Formular zwingend in einer dieser drei Sprachen auszufüllen war, so der EuGH. Daraus ergebe sich eine grundsätzlich unzulässige Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache. Das Parlament habe nicht dargetan, dass es ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigendes legitimes Ziel von allgemeinem Interesse gibt.

Anforderungen an Fahrer rechtfertigen Beschränkung der "Sprache 2" nicht

Der EuGH führt weiter aus, dass die Beschränkung der Wahl von "Sprache 2" allein auf die englische, die französische und die deutsche Sprache ebenfalls eine grundsätzlich verbotene Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache darstelle. Die Aufforderung zur Interessenbekundung des Parlaments enthalte keine Rechtfertigung für diese Beschränkung, gemessen an den konkreten sprachlichen Erfordernissen bei dem von den eingestellten Fahrern auszuübenden Amt. Weder der Umstand, dass die eingestellten Fahrer ihre Aufgaben insbesondere in französisch- oder deutschsprachigen Städten wahrnehmen sollen, noch der Umstand, dass die von ihnen zu befördernden Personen meist die englische Sprache verwenden, sei geeignet, die Beschränkung der Wahl von "Sprache 2" auf die drei genannten Sprachen zu rechtfertigen. Denn das Parlament habe nicht nachgewiesen, inwieweit jede dieser Sprachen für die Wahrnehmung der genannten Aufgaben besonders nützlich sein soll und warum keine anderen für diese Stellen möglicherweise relevanten Amtssprachen gewählt werden konnten. Außerdem könne nicht geltend gemacht werden, dass diese drei Sprachen notwendigerweise die für alle Funktionen in diesem Organ nützlichsten Sprachen sind, da das Europäische Parlament in seiner Geschäftsordnung keine Regelung der Sprachenfrage getroffen habe.

Klagen gegen Bekanntmachungen eines Auswahlverfahrens zulässig

In der Rechtssache C-621/16 P stellt der EuGH zunächst fest, dass das Gericht die Klagen Italiens zu Recht für zulässig erachtet hat. Denn die Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens lege den normativen Rahmen eines spezifischen Auswahlverfahrens fest. Jede Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens erzeuge somit eigenständige verbindliche Rechtswirkungen und könne deshalb selbstständiger Gegenstand einer Klage sein.

Anforderungsprofil rechtfertigt Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache nicht

Laut EuGH hat das Gericht auch zutreffend entschieden, dass die höchsten Ansprüche, denen ein Bewerber in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität genügen müsse, von den Sprachkenntnissen unabhängig seien. Letztere seien das Mittel, um Erstere darzutun. Das Gericht habe daher rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Ziel, Beamte einzustellen, die diesen höchsten Ansprüchen genügen, keine Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache rechtfertigt. Das Gericht habe auch zu Recht geprüft, ob "konkrete Angaben" gemacht wurden, anhand deren sich objektiv ein dienstliches Interesse feststellen lässt, mit dem die Beschränkung der Wahl von "Sprache 2" des Auswahlverfahrens gerechtfertigt werden konnte. Das Gericht habe die Beurteilung des EPSO nicht durch seine eigene ersetzt, sondern lediglich geprüft, ob die vom EPSO zur Rechtfertigung der Begrenzung der Wahl von "Sprache 2" des Auswahlverfahrens angegebenen Gründe stichhaltig waren.

Sprachvorgaben für Kommunikation mit Bewerbern möglich, aber zu begründen

Schließlich weist der EuGH darauf hin, dass die Bekanntmachungen von Auswahlverfahren zwar in allen EU-Amtssprachen vollständig im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden müssen. Das EPSO sei aber nicht verpflichtet, den Schriftwechsel mit einem Bewerber im Rahmen eines Auswahlverfahrens in einer frei von diesem gewählten Sprache zu führen. Die vom EPSO vorgenommene Beschränkung der Wahl der Sprache des Schriftwechsels zwischen den Bewerbern und ihm auf einige wenige Amtssprachen sei jedoch zu begründen. Im vorliegenden Fall habe das EPSO aber keine dahin gehenden Rechtfertigungsgründe angegeben.

EuGH, Urteil vom 26.03.2019 - C-377/16

Redaktion beck-aktuell, 26. März 2019.

Mehr zum Thema