Streit um Ernennung eines Richters zum Präsidenten der Disziplinarkammer
Im Ausgangsverfahren geht es um eine Richterin in Polen, gegen die dort im Januar 2019 ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, weil sie bei ihr anhängige Verfahren verschleppt habe. Die klagende Richterin rügt die Ernennung eines bestimmten Richters zum Präsidenten der Disziplinarkammer, weil diese mit mehreren Unregelmäßigkeiten behaftet sei und erhob beim Obersten polnischen Gericht Zivilklage. Sie begehrte festzustellen, dass kein Dienstverhältnis mit dem betreffenden Richter bestehe und beantragte die Aussetzung des gegen sie geführten Disziplinarverfahrens. Nachdem das vorlegende Gericht feststellte, dass im Richtermandat ein öffentlich-rechtliches und kein zivilrechtliches Rechtsverhältnis zum Ausdruck komme und dass die Klage grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung falle, wollte es vom Gerichtshof wissen, ob der im Unionsrecht verankerte Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes und der Auftrag der unabhängigen Justiz es dennoch rechtfertige, über das Anliegen der Klägerin zu entscheiden.
EuGH erklärt Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig erklärt. Ein Vorabentscheidungsbegehren setze zwingend voraus, dass das vorlegende Gericht für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zuständig sei, damit dieser nicht als rein hypothetisch angesehen werde. Obwohl der Gerichtshof anerkannt hat, dass es sich unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen anders verhalten kann, ist es im vorliegenden Fall nicht möglich, zu einem solchen Ergebnis zu gelangen. Die erhobene Zivilklage betreffe festgestellter maßen nicht nur öffentlich-rechtlichen Streitstoff, sondern ziele in Wirklichkeit darauf ab, die Entscheidung über die Bestimmung des Disziplinargerichts anzufechten. Die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen beträfen somit ein anderes Verfahren als den Ausgangsrechtsstreit, zu dem dieser nur akzessorisch sei. Um darauf antworten zu können, wäre der Gerichtshof daher gezwungen, die Merkmale dieses anderen Verfahrens zu berücksichtigen, statt sich an die Konstellation des Ausgangsrechtsstreits zu halten, wie es Art. 267 AEUV verlange.
Klägerin hätte Recht auf unabhängiges Verfahren geltend machen müssen
Der Gerichtshof hat klargestellt, dass die Klägerin mangels unmittelbaren Klagerechts gegen die Ernennung des Präsidenten der Disziplinarkammer hätte rügen können, dass möglicherweise ihr Recht auf ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht Verfahren missachtet worden sei. Im Übrigen erfüllten die Bestimmungen des Gesetzes über die ordentlichen Gerichte, soweit sie dem Präsidenten der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts das Ermessen einräumten, das zuständige Disziplinargericht für gegen Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit eingeleitete Disziplinarverfahren zu bestimmen, nicht die Anforderung aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, wonach es möglich sein müsse, dass solche Rechtssachen von einem “durch Gesetz errichteten“ Gericht entschieden werden.
Kein Klagerecht gegen richterliche Ernennung
Soweit diese Bestimmung eine solche Anforderung aufstelle, sei sie im Übrigen als unmittelbar wirksame Bestimmung anzusehen, sodass der Grundsatz des Vorrangs des Unionrechts es einem so bestimmten Disziplinargericht vorschreibe, die nationalen Vorschriften, nach denen es bestimmt wurde, unangewendet zu lassen und sich somit für die Entscheidung über das ihm zugewiesene Verfahren für unzuständig zu erklären. Außerdem sei im vorliegenden Fall die Klage im Ausgangsverfahren im Wesentlichen darauf gerichtet eine Art Nichtigerklärung erga omnes der Ernennung zum Richter zu erwirken, obwohl das nationale Recht es nicht sämtlichen Einzelnen gestatte die Ernennung von Richtern mit einer direkten Klage auf Nichtig- oder Ungültigerklärung einer solchen Ernennung anzufechten.