EuGH: Vollziehungsfrist für in Deutschland vollstreckbaren Arresttitel eines anderen Mitgliedstaats mit EU-Recht vereinbar

Die Brüssel-I-Verordnung steht der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats, nach der für die Vollziehung eines Arrestbefehls eine Frist gilt (hier: § 929 Abs. 2 ZPO), nicht entgegen, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 04.10.2018 entschieden (Az.: C-379/17).

Italienischer Arrestbefehl für in Deutschland vollstreckbar erklärt

Al Bosco, eine Immobiliengesellschaft italienischen Rechts, erwirkte am 19.11.2013 bei einem italienischen Gericht eine Verfügung, die sie ermächtigte, gegen den betroffenen Schuldner eine Sicherstellungsbeschlagnahme in Höhe eines Betrags von 1.000.000 Euro auf diesem gehörende Werte vorzunehmen. Am 22.08.2014 erklärte das Landgericht München diese Verfügung nach der Brüssel-I-Verordnung für in Deutschland vollstreckbar. Am 23.04.2015 beantragte Al Bosco beim Amtsgericht München – Grundbuchamt – die Eintragung einer Hypothek an dem in Deutschland belegenen Grundbesitz (eine Eigentumswohnung und zwei Tiefgaragenstellplätze) des Schuldners.

AG München lehnt Vollziehung des Arrestbefehls wegen Fristversäumung ab

Das AG wies den Antrag als verspätet zurück. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl ergangen oder dem Gläubiger zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Regelung dient dem Schuldnerschutz, indem verhindert wird, dass Entscheidungen, die aufgrund eines summarischen Eilverfahrens erlassen werden, über längere Zeit und trotz möglicherweise veränderter Verhältnisse vollziehbar bleiben.

BGH: Anwendung des § 929 Abs. 2 ZPO hier durch Brüssel-I-Verordnung gehindert?

Das Vorlagegericht, der Bundesgerichtshof, wollte wissen, ob die Brüssel-I-Verordnung der Anwendung dieser Regelung auf einen ausländischen Arrestbefehl, der in Deutschland für vollstreckbar erklärt worden ist, entgegensteht. Der BGH rief deshalb zwecks Auslegung der Brüssel-I-Verordnung den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an.

EuGH: Fristregelung betrifft Vollstreckung und nicht Erteilung der Vollstreckbarerklärung

Der EuGH hat entschieden, dass die Brüssel-I-Verordnung der Anwendung des § 929 Abs. 2 ZPO nicht entgegensteht, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem in Deutschland Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist. Denn § 929 Abs. 2 ZPO betreffe nicht die Erteilung der Vollstreckbarerklärung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, die nach der Brüssel-I-Verordnung fast automatisch erfolgen müsse, sondern die eigentliche Vollstreckung. Letztere sei von der Brüssel-I-Verordnung nicht harmonisiert worden und unterliege deshalb grundsätzlich nach wie vor dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats, im vorliegenden Fall also dem deutschen Recht.

Kein Grund für weiterreichende Wirkungen von Arrestbefehlen anderer EU-Staaten   

Auch wenn den in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen durch die Anerkennung grundsätzlich die Wirkungen beigelegt werden sollen, die ihnen im Ursprungsmitgliedstaat zukommen, sieht der EuGH keinen Grund, einer Entscheidung bei ihrer Vollstreckung Wirkungen zuzuerkennen, die eine unmittelbar im Vollstreckungsstaat ergangene Entscheidung derselben Art nicht erzeugen würde. Dies gelte auch bezüglich der Anwendung der streitigen Frist.

Einmonatsfrist begründet keine Gefahr eines Vollstreckungshindernisses für Gläubiger

Nach Ansicht des EuGH ist die Einmonatsfrist für die Vollziehung von Arrestbefehlen nicht mit einem echtem Risiko behaftet, dass der Gläubiger im Vollstreckungsmitgliedstaat einen Arrestbefehl, der in einem anderen Mitgliedstaat ergangen und dem Vollstreckbarkeit beigelegt worden sei, etwa nicht vollstrecken könne. Der EuGH weist darauf hin, dass die Monatsfrist bei Arrestbefehlen, die von Gerichten anderer Mitgliedstaaten als des Vollstreckungsmitgliedstaats erlassen worden seien, ab dem Datum der Zustellung der Vollstreckbarerklärung an den Gläubiger berechnet werde.

EuGH, Urteil vom 04.10.2018 - C-379/17

Redaktion beck-aktuell, 4. Oktober 2018.

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