Iranerin wird wegen Sicherheitsbedenken Visum für Studium verweigert
Die Klägerin im Ausgangsverfahren, eine iranische Staatsangehörige, hat einen Master of science in Informationstechnologie, der ihr von der Sharif University of Technology im Iran verliehen wurde. Diese Universität unterliegt wegen ihres Engagements für die iranische Regierung, insbesondere im militärischen Bereich, restriktiven Maßnahmen der EU. 2012 erhielt die Klägerin vom Center for Advanced Security Research Darmstadt der Technischen Universität Darmstadt ein Stipendium für ein Promotionsstudium. Ihr Forschungsvorhaben betraf die Sicherheit mobiler Systeme, insbesondere die Angriffserkennung auf Smartphones bis hin zu Sicherheitsprotokollen. Sie beantragte bei der deutschen Botschaft in Teheran ein Visum zu Studienzwecken, das ihr aber nicht erteilt wurde. Daraufhin erhob sie Klage beim Verwaltungsgericht Berlin. Die deutsche Regierung rechtfertigt die ablehnende Entscheidung mit der Befürchtung, dass die Kenntnisse, die die Klägerin bei ihrer Forschung erwerben könnte, später im Iran missbräuchlich eingesetzt werden könnten, etwa zur Verschaffung vertraulicher Information in westlichen Ländern, zur internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen.
VG Berlin ruft EuGH an: Verweigerung mit EU-Recht vereinbar?
Das VG rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Richtlinie 2004/114/EG über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums an. Mit dieser Richtlinie soll die Bereitschaft von drittstaatsangehörigen Studenten gefördert werden, sich zu Bildungszwecken in die EU zu begeben, um dafür zu sorgen, dass Europa im Bereich von Studium und beruflicher Bildung weltweit Maßstäbe setzt. Die Erteilung eines solchen Visums setzt allerdings nach der Richtlinie insbesondere voraus, dass der Antragsteller nicht als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtet wird. Das VG wollte wissen, ob die nationalen Behörden bei der Feststellung, ob der Antragsteller eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellt, über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügen und ob sie das Visum unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens verweigern dürfen.
EuGH: Weiter Beurteilungsspielraum bei Prüfung einer Bedrohung für öffentliche Sicherheit
Der EuGH bejaht die Frage nach dem Beurteilungsspielraum. Die nationalen Behörden hätten bei der Beurteilung des Sachverhalts einen weiten Spielraum, wenn sie prüfen, ob der Drittstaatsangehörige eine – auch nur potenzielle – Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellt.
Visumsverweigerung möglich
Laut EuGH hindert die Richtlinie die zuständigen nationalen Behörden auch nicht daran, einem Drittstaatsangehörigen ein Visum zu verweigern, der einen Hochschulabschluss einer Universität besitzt, die restriktiven Maßnahmen der EU unterliegt, und der in dem betreffenden Mitgliedstaat in einem für die öffentliche Sicherheit sensiblen Bereich forschen möchte.
Gefahr späterer sicherheitsgefährdender Nutzung zu erwerbender Kenntnisse erforderlich
Voraussetzung sei aber, dass die Behörden aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen Anlass zu der Befürchtung haben, die Kenntnisse, die der Betreffende bei seiner Forschung erwerben könnte, könnten später zu Zwecken eingesetzt werden, die der öffentlichen Sicherheit zuwiderlaufen. Die Verschaffung vertraulicher Information in westlichen Ländern, die interne Repression und allgemein Menschenrechtsverletzungen seien derartige Zwecke, stellt der EuGH klar.
VG Berlin muss ausreichende Begründung der Ablehnung prüfen
Das VG Berlin müsse nun zu prüfen, ob die Entscheidung, der Klägerin das beantragte Visum nicht zu erteilen, auf einer ausreichenden Begründung und einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht.