EuGH verlangt Überprüfung von Klauseln in Hypothekendarlehensverträgen spanischer Bank

Die spanischen Gerichte müssen die Klausel in Hypothekendarlehensverträgen, der zufolge ein variabler Zinssatz auf der Grundlage des Index der spanischen Sparkassen anzuwenden ist, auf Klarheit und Verständlichkeit überprüfen. Das hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs  entschieden und hinzugefügt, dass die Gerichte, wenn sie die Klausel für missbräuchlich halten, an die Stelle dieses Index einen im spanischen Recht vorgesehenen Ersatzindex setzen können, um den Verbraucher vor besonders nachteiligen Folgen der Nichtigkeit des Darlehensvertrags zu schützen (Urteil vom 03.03.2020, Az.: C-125/18, BeckRS 2020, 2609).

Zinsen nach Klausel abhängig von Referenzindex

Gómez del Moral Guasch hatte vor dem Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona, Spanien, Klage wegen angeblicher Missbräuchlichkeit einer Klausel über den variablen Satz der auf das Kapital anfallenden Zinsen erhoben, die in dem Hypothekendarlehensvertrag enthalten ist, den er mit der Bank Bankia SA abgeschlossen hatte. Nach dieser Klausel ändert sich der Satz der vom Verbraucher zu entrichtenden Zinsen in Abhängigkeit vom Referenzindex. Der Referenzindex war von den nationalen Vorschriften vorgesehen und konnte von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen angewandt werden. Das spanische Gericht hatte hierzu festgestellt, dass die Indexierung der variablen Zinsen auf der Grundlage des Referenzindex ungünstiger war als die Indexierung anhand des Durchschnittssatzes des europäischen Interbankenhandels (Euribor), der bei 90% der in Spanien abgeschlossenen Hypothekendarlehen verwendet wird, und zu Mehrkosten von rund 18.000 bis 21.000 Euro pro Darlehen führe. Das spanische Gericht rief den EuGH an und bat um Vorabentscheidung.

Richtlinie über missbräuchliche Klauseln anwendbar

Der EuGH stellt zunächst klar, dass die Klausel eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Hypothekendarlehensvertrags, der zufolge sich der Satz des vom Verbraucher zu entrichtenden Zinses in Abhängigkeit vom auf den Hypothekendarlehen der spanischen Sparkassen beruhenden, vom spanischen Recht vorgesehenen Referenzindex ändert, in den Anwendungsbereich der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln (RL 93/13/EWG) fällt. Der Gerichtshof erinnert daran, dass Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind (Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie). Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das spanische Gericht hat er allerdings festgestellt, dass die im vorliegenden Fall anwendbare nationale Regelung für Darlehen mit variablem Zinssatz die Verwendung eines offiziellen Referenzindex nicht zwingend vorsah, sondern lediglich die Voraussetzungen festlegte, die "die Referenzindizes oder -zinssätze" erfüllen mussten, damit sie von den Kreditinstituten verwendet werden konnten. Der EuGH ist folglich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klausel eines Hypothekendarlehensvertrags, der zufolge der auf das Darlehen anwendbare Zinssatz auf einem der in den nationalen Vorschriften vorgesehenen offiziellen Referenzindizes beruht, die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen angewandt werden können, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, wenn diese Vorschriften weder die unabdingbare Anwendung dieses Index noch seine dispositive Anwendung mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien vorsehen.

Vertragsklauseln müssen stets klar und verständlich sein

Der Gerichtshof hat weiter die Befugnisse des nationalen Gerichts bei der Transparenzkontrolle einer Klausel erörtert, die den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie sieht nämlich vor, dass die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln insbesondere nicht den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind. Das spanische Gericht wollte wissen, ob es für ein nationales Gericht selbst dann, wenn diese Richtlinienbestimmung nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, möglich ist zu prüfen, ob eine Klausel wie die streitige dem Transparenzerfordernis der Richtlinie genügt. Hierzu betont der Gerichtshof, dass Vertragsklauseln stets dem Erfordernis genügen müssen, klar und verständlich abgefasst zu sein. Dieses Erfordernis gelte auch dann, wenn eine Klausel in den Anwendungsbereich der vorgenannten Vorschrift fällt, und selbst dann, wenn der betreffende Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall Spanien, diese Vorschrift nicht in seine Rechtsordnung umgesetzt hat. Folglich müsse ein Gericht eines Mitgliedstaats eine Vertragsklausel, die den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, stets auf Klarheit und Verständlichkeit überprüfen.

Durchschnittsverbraucher muss Berechnung des Zinssatzes verstehen können

Weiter entscheidet der Gerichtshof, dass eine Vertragsklausel, mit der in einem Hypothekendarlehensvertrag ein variabler Zinssatz festgelegt wird, zur Einhaltung des Transparenzerfordernisses im Sinne der Richtlinie (Art. 4 Abs. 2 und Art. 5) nicht nur in formeller und grammatikalischer Hinsicht nachvollziehbar sein, sondern es außerdem ermöglichen muss, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt wird, zu verstehen, wie dieser Zinssatz konkret berechnet wird, und somit auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen. Hierfür in besonderer Weise maßgebend seien zum einen der Umstand, dass die Hauptelemente zur Berechnung des Zinssatzes für jedermann, der den Abschluss eines Hypothekendarlehens beabsichtigt, aufgrund der Veröffentlichung der Berechnungsmethode des fraglichen Satzes im Amtsblatt des betreffenden Mitgliedstaats leicht zugänglich sind, und zum anderen die Bereitstellung von Informationen über die frühere Entwicklung des Index, auf dessen Grundlage der genannte Zinssatz berechnet wird.

Für Verbraucher ungünstige Nichtigkeit des Darlehensvertrags abwendbar

Schließlich erinnert der Gerichtshof in Bezug auf die Befugnisse des nationalen Richters bei der Feststellung der etwaigen Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel im Sinne der Richtlinie daran, dass diese es einem nationalen Gericht nicht verwehrt, unter Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze eine missbräuchliche Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben und sie durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts in Situationen zu ersetzen, in denen die Ungültigerklärung einer solchen Klausel das Gericht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie). Eine solche Nichtigerklärung des Vertrags könnte nämlich grundsätzlich zur Folge haben, dass der noch offene Darlehensbetrag sofort in einem Umfang fällig wird, der die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verbrauchers möglicherweise übersteigt, und würde daher eher diesen als den Darlehensgeber bestrafen, der infolgedessen nicht davon abgeschreckt würde, solche Klauseln in die von ihm angebotenen Verträge aufzunehmen.

Nationaler Richter kann festgelegten Referenzindex durch Ersatzindex ersetzen

Im vorliegenden Fall habe der spanische Gesetzgeber seit dem Abschluss des streitigen Darlehensvertrags einen "Ersatzindex" eingeführt, der vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht dispositiven Charakter hat. Unter diesen Voraussetzungen verwehrt es die Richtlinie dem nationalen Richter laut EuGH nicht, bei Nichtigkeit einer missbräuchlichen Vertragsklausel, die zur Berechnung der variablen Zinsen eines Darlehens einen Referenzindex festlegt, diesen Index durch den genannten Ersatzindex, der in Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar ist, zu ersetzen, sofern der fragliche Hypothekendarlehensvertrag bei Wegfall der genannten missbräuchlichen Klausel nicht fortbestehen kann und die Nichtigerklärung des gesamten Vertrags für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen haben könnte.

EuGH, Urteil vom 03.03.2020 - C-125/18

Redaktion beck-aktuell, 4. März 2020.

Mehr zum Thema