EuGH: Verkauf multimedialen Medienabspielers zum Streamen illegal zugänglicher Filme ist urheberrechtswidrig

Der Verkauf eines multimedialen Medienabspielers zum kostenlosen und einfachen Betrachten illegal im Internet zugänglicher Filme auf einem Fernsehbildschirm ist urheberrechtswidrig. Dies stellt der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 26.04.2017 klar. Außerdem hat er entschieden, dass die vorübergehende Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf einem solchen Medienabspieler durch Streaming nicht vom Vervielfältigungsrecht ausgenommen ist (Az.: C-527/15). Die Entscheidung hat voraussichtlich auch Folgen für Streaming-Nutzer, die keinen Medienabspieler zu Hause haben. Das Urteil lasse sich eins zu eins auf Computer übertragen, so IT-Fachanwalt Christian Solmecke gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (Internetausgabe vom 26.04.2017). Wer sich im Internet illegal zugängliche Streams ansehe, begehe danach eine Urheberrechtsverletzung.

Multimedialer Medienabspieler zum Streamen auch illegal im Internet zugänglicher Filme verkauft

Der Beklagte des Ausgangsverfahrens verkauft über das Internet verschiedene Modelle eines multimedialen Medienabspielers unter dem Namen "filmspeler". Es handelt sich um ein Gerät, das als Verbindung zwischen einem Bild- oder Tonsignal und einem Fernsehbildschirm fungiert. Auf diesem Medienabspieler installierte der Beklagte eine Open-Source-Software, mit der mittels einer einfach zu bedienenden grafischen Oberfläche über bestimmte Menüstrukturen Dateien gelesen werden können. Daneben fügte er in diese Software im Internet zugängliche Add-ons ein, die Hyperlinks zu Streamingseiten Dritter enthalten, von denen einige digitale Inhalte mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zugänglich machen, während andere ohne deren Erlaubnis zu solchen Inhalten leiten. Die Add-ons sind dazu bestimmt, die gewünschten Inhalte aus den Streamingseiten zu schöpfen und sie allein durch einen Klick auf dem multimedialen Medienabspieler, der mit einem Fernsehbildschirm verbunden ist, anlaufen zu lassen. Laut der Werbung kann mit dem multimedialen Medienabspieler kostenlos und einfach auf einem Fernsehbildschirm insbesondere Bild- und Tonmaterial angesehen werden, das ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber im Internet zugänglich ist.

Niederländisches Gericht ruft EuGH an

Stichting Brein, eine niederländische Stiftung, die sich dem Schutz der Urheberrechte widmet, hat beim niederländischen Vorlagegericht (Bezirksgericht Midden-Nederland) beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den Verkauf von multimedialen Medienabspielern oder das Anbieten von Hyperlinks, die den Nutzern geschützte Werke rechtswidrig zugänglich machen, einzustellen. Sie macht geltend, der Beklagte habe mit dem Vertrieb des multimedialen Medienabspielers unter Verstoß gegen das niederländische Urheberrechtsgesetz, das die Richtlinie 2001/29/EG umsetze, eine "öffentliche Wiedergabe" vorgenommen. Das Gericht setzte das Verfahren aus und rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an.

EuGH: Verkauf des "filmspeler" stellt "öffentliche Wiedergabe" dar

Der EuGH bestätigt, dass der Verkauf eines multimedialen Medienabspielers, auf dem im Internet verfügbare Add-ons mit Hyperlinks zu für die Öffentlichkeit frei zugänglichen Websites vorinstalliert wurden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich gemacht wurden, eine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne der Richtlinie darstellt. Er weist insoweit auf seine Rechtsprechung hin, wonach das Hauptziel der Richtlinie darin bestehe, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen. Daher sei der Begriff "öffentliche Wiedergabe" weit zu verstehen.

Auch Wiedergabehandlung gegeben

Eine Handlung der Wiedergabe im Sinne der Richtlinie liege vor, so der EuGH. Er habe bereits entschieden, dass in Fällen, in denen auf einer Internetseite anklickbare Links zu geschützten Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Seite ohne Zugangsbeschränkung veröffentlicht seien, den Nutzern der erstgenannten Seite ein direkter Zugang zu diesen Werken geboten wird. Das Gleiche gelte für den Fall des Verkaufs des in Rede stehenden multimedialen Medienabspielers. Ebenso habe der Beklagte in voller Kenntnis der Folgen seines Handelns eine Vorinstallation von Add-ons auf dem multimedialen Medienabspieler vorgenommen, die Zugang zu den geschützten Werken verschaffen können und es ermöglichen, diese Werke auf einem Fernsehbildschirm anzusehen. Eine solche Tätigkeit erschöpfe sich nicht in der in der Richtlinie genannten bloßen körperlichen Bereitstellung von Einrichtungen. Insoweit ergebe sich aus den im vorliegenden Verfahren vor dem EuGH abgegebenen Erklärungen, dass die fraglichen Streamingseiten von der Öffentlichkeit nicht leicht ausfindig gemacht werden können und sich die Mehrzahl von ihnen häufig ändert.

Geschützte Inhalte werden auch "öffentlich" wiedergegeben

Auch das Merkmal "öffentlich" sei erfüllt, fährt der EuGH fort. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts habe eine ziemlich große Zahl von Personen den multimedialen Medienabspieler gekauft. Ferner richte sich die Wiedergabe an sämtliche potenziellen Erwerber des Medienabspielers, die über eine Internetverbindung verfügten. Somit richte sich diese Wiedergabe an eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und erfasse eine große Zahl von Personen.

Wiedergabe an "neues" Publikum

Laut EuGH handelt es sich auch um eine Wiedergabe an ein "neues“ Publikum und damit im Ergebnis um eine "öffentliche Wiedergabe". Denn der Verkauf des "filmspeler" sei in voller Kenntnis der Zugänglichmachung rechtswidrig im Internet veröffentlichter Werke durch die vorinstallierten Add-ons mit den Hyperlinks erfolgt. Im Übrigen sei das Bereitstellen des multimedialen Medienabspielers mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt, da der für diesen multimedialen Medienabspieler gezahlte Preis auch entrichtet wurde, um einen direkten Zugang zu den geschützten Werken zu erhalten, die auf den Streamingseiten ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zugänglich sind.

Streaming über "filmspeler" nicht von Vervielfältigungsrecht ausgenommen

Weiter hat der EuGH entschieden, dass die Handlungen der vorübergehenden Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf diesem multimedialen Medienabspieler durch Streaming von der Website eines Dritten, auf der dieses Werk ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers angeboten wird, nicht vom Vervielfältigungsrecht ausgenommen sind. Nach der Richtlinie werde eine Vervielfältigungshandlung von dem Vervielfältigungsrecht nur ausgenommen, wenn sie kumulativ folgende fünf Voraussetzungen erfüllt: (1) die Handlung ist vorübergehend; (2) sie ist flüchtig oder begleitend; (3) sie stellt einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens dar; (4) alleiniger Zweck dieses Verfahrens ist es, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines geschützten Werks oder eines Schutzobjekts zu ermöglichen, (5) die Handlung hat keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung. Außerdem dürfe diese Ausnahme nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder eines sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt werde und in denen die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt würden.

"Filmspeler"-Nutzer verschafft sich freiwillig und in Kenntnis der Sachlage Zugang zu illegalem Angebot

Im vorliegenden Fall ist der EuGH insbesondere unter Berücksichtigung des Inhalts der Werbung für den multimedialen Medienabspieler und des Umstands, dass der Hauptanreiz des Medienabspielers in der Vorinstallation der Add-ons liege, der Ansicht, dass der Erwerber eines solchen Medienabspielers sich freiwillig und in Kenntnis der Sachlage zu einem kostenlosen und nicht zugelassenen Angebot geschützter Werke Zugang verschaffe. Darüber hinaus könnten die Handlungen der vorübergehenden Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke auf dem fraglichen multimedialen Medienabspieler die normale Verwertung solcher Werke beeinträchtigen und die berechtigten Interessen der Urheberrechtsinhaber ungebührlich verletzen, da sie normalerweise eine Verringerung der rechtmäßigen Transaktionen im Zusammenhang mit diesen geschützten Werken zur Folge haben.

EuGH, Urteil vom 26.04.2017 - C-527/15

Redaktion beck-aktuell, 26. April 2017.

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