Kläger sendet Matratze nach Entfernen der Schutzfolie zurück
Der Kläger des Ausgangsverfahrens kaufte über die Website des deutschen Onlinehändlers slewo eine Matratze. Nach Erhalt der Ware entfernte er die Schutzfolie, mit der die Matratze versehen war. Einige Tage später teilte er slewo mit, dass er die Matratze zurücksenden wolle, und bat den Onlinehändler, deren Transport zu veranlassen. Da slewo dem nicht nachkam, sandte der Kläger die Matratze zurück und trug die Transportkosten selbst. Mit seiner Klage verlangte er die Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 1.094,52 Euro und der Rücksendekosten.
BGH: Widerrufsrecht aus Gesundheitsschutz- oder Hygienegründen ausgeschlossen?
Der Onlinehändler vertrat die Auffassung, dass dem Kläger kein Widerrufsrecht zustehe. Denn die Verbraucherschutzrichtlinie 2011/83/EU schließe das Widerrufsrecht für versiegelte Waren aus, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Die Klage hatte vor dem Amtsgericht und dem Landgericht Erfolg. Der mit der Revision des Onlinehändlers befasste Bundesgerichtshof bat den EuGH zu klären, ob eine Ware wie eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, unter den in der Richtlinie vorgesehenen Ausschluss fällt.
EuGH: Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen
Der EuGH hat die Frage verneint. Der Verbraucher könne sein Widerrufsrecht auch dann ausüben, wenn er die Schutzfolie einer im Internet gekauften Matratze entfernt hat. Das Widerrufsrecht solle den Verbraucher in der besonderen Situation eines Verkaufs im Fernabsatz schützen, in der er keine Möglichkeit habe, die Ware vor Vertragsabschluss zu sehen. Es solle also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergebe. Dazu werde ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt, in der er die gekaufte Ware prüfen und ausprobieren könne, soweit dies erforderlich sei, um ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise festzustellen.
Entfernung einer Versiegelung aus Gesundheitsschutz oder Hygienegründen beeinträchtigt Weiterverkauf
Zum hier in Rede stehenden Ausschluss führt der EuGH aus, dass es die Beschaffenheit einer Ware sei, die die Versiegelung ihrer Verpackung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen rechtfertigen könne. Die Entfernung der Versiegelung der Verpackung einer solchen Ware lasse daher die Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen. Wenn bei einer solchen Ware die Versiegelung der Verpackung vom Verbraucher entfernt worden und daher ihre Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen sei, könne sie möglicherweise nicht mehr von einem Dritten verwendet und infolgedessen nicht wieder in den Verkehr gebracht werden.
Weiterverkauf durch Entfernen der Schutzfolie nicht ausgeschlossen
Nach Auffassung des EuGH fällt eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt worden sei, nicht unter die fragliche Ausnahme vom Widerrufsrecht. Denn zum einen sei nicht ersichtlich, dass eine solche Matratze, auch wenn sie möglicherweise schon benutzt wurde, allein deshalb endgültig nicht von einem Dritten wiederverwendet oder nicht erneut in den Verkehr gebracht werden kann. Insoweit genüge der Hinweis, dass ein und dieselbe Matratze aufeinanderfolgenden Hotelgästen dient, ein Markt für gebrauchte Matratzen besteht und gebrauchte Matratzen einer gründlichen Reinigung unterzogen werden können.
Matratze kann wie Kleidung gereinigt und wieder verkehrsfähig gemacht werden
Zum anderen könne eine Matratze im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden, also mit einer Warenkategorie, für die die Richtlinie ausdrücklich die Möglichkeit der Rücksendung nach Anprobe vorsehe, so der EuGH weiter. Eine solche Gleichsetzung komme insofern in Betracht, als selbst bei direktem Kontakt dieser Waren mit dem menschlichen Körper davon ausgegangen werden könne, dass der Unternehmer in der Lage ist, sie nach der Rücksendung durch den Verbraucher mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde.
Verbraucher haftet aber für Wertverlust durch Überschreitung der Befugnis zur Warenprüfung
Der EuGH betont allerdings, dass der Verbraucher gemäß der Richtlinie für jeden Wertverlust einer Ware hafte, der auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang zurückzuführen sei, ohne dass er deshalb sein Widerrufsrecht verlöre.