EuGH: Urheberrechtsschutz für Modemodelle erfordert originale Werke

Modelle (hier: Modemodelle) genießen urheberrechtlichen Schutz dann, wenn sie als originale Werke einzustufen sind, mithin Ausdruck einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers sind. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 12.09.2019 entschieden. Die ästhetische Wirkung eines Modells sei für die Einstufung als Werk hingegen ohne Belang und könne keinen Urheberrechtsschutz begründen (Az.: C-683/17).

Urheberstreit um kopierte Modemodelle

Im Ausgangsstreit geht es um zwei Modeunternehmen – G-Star Raw und Cofemel –, die Kleidung entwerfen, produzieren und vermarkten. G-Star Raw wirft Cofemel vor, einige ihrer Jeans-, Sweatshirt- und T-Shirtmodelle zu kopieren und dadurch ihre Urheberrechte zu verletzen.

Portugiesisches Gericht ruft EuGH an

Das portugiesische Vorlagegericht (Supremo Tribunal de Justiça) stellte fest, dass das portugiesische Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Muster und Modelle in die Liste der urheberrechtlich geschützten Werke aufnehme, aber nicht ausdrücklich die Voraussetzungen regle, die erfüllt sein müssten, damit bestimmten Gegenständen mit Gebrauchszweck auch tatsächlich ein solcher Schutz zukomme. Da über diese Frage in der portugiesischen Rechtsprechung und Lehre keine Einigkeit bestehe, wollte das Gericht vom EuGH wissen, ob die Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der dieser Schutz unter der besonderen Voraussetzung gewährt wird, dass Muster und Modelle über ihren Gebrauchszweck hinaus eine spezielle ästhetische Wirkung haben.

EuGH: Modell kann auch "Werk" sein

Der EuGH sieht in einer solchen Regelung einen Verstoß gegen die Urheberrechtsrichtlinie. Gemäß seiner ständigen  Rechtsprechung könne jeder originale Gegenstand, der Ausdruck einer eigenen geistigen Schöpfung seines Urhebers sei, als "Werk" im Sinn der Richtlinie über das Urheberrecht eingestuft werden. Für Muster und Modelle sähen mehrere abgeleitete Unionsrechtsakte einen besonderen Schutz vor. Dieser besondere Schutz und der allgemeine Schutz nach der Urheberrechtsrichtlinie könnten kumulativ anwendbar sein, so dass ein Muster oder Modell gegebenenfalls auch als "Werk" eingestuft werden könne.

Kumulativer Schutz restriktiv zu handhaben

Der EuGH weist aber darauf hin, dass der Schutz von Mustern und Modellen und der urheberrechtliche Schutz unterschiedliche Ziele verfolgten und unterschiedlichen Regelungen unterlägen. Denn der Schutz von Mustern und Modellen erfasse Gegenstände, die zwar neu und individualisiert seien, aber dem Gebrauch dienten und für die Massenproduktion gedacht seien. Außerdem sei dieser Schutz während eines begrenzten Zeitraums anwendbar, der sicherstelle, dass die für das Entwerfen und die Produktion dieser Gegenstände erforderlichen Investitionen rentabel seien, ohne jedoch den Wettbewerb übermäßig einzuschränken. Demgegenüber dauere der mit dem Urheberrecht verbundene Schutz deutlich länger und sei Gegenständen vorbehalten, die als Werke eingestuft werden könnten. In diesem Rahmen dürfe die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes für einen bereits als Muster oder Modell geschützten Gegenstand nicht dazu führen, dass die Zielsetzungen und die Wirksamkeit dieser beiden Regelungen beeinträchtigt werden. Daher komme die kumulative Gewährung eines solchen Schutzes nur in bestimmten Fällen in Frage.

Ästhetische Wirkung für Einstufung als "Werk" ohne Belang

Schließlich legt der EuGH dar, dass die ästhetische Wirkung für die Einstufung eines Musters oder Modells als "Werk" keine Rolle spiele, da eine solche ästhetische Wirkung das Ergebnis einer naturgemäß subjektiven Schönheitsempfindung des jeweiligen Betrachters sei. Eine Einstufung als "Werk" setze vielmehr voraus, dass der fragliche Gegenstand mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar ist und eine geistige Schöpfung darstellt, die die Entscheidungsfreiheit und die Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelt. Folglich könnten Modelle nicht allein aufgrund des Umstands, dass sie über ihren Gebrauchszweck hinaus eine spezielle ästhetische Wirkung haben, als "Werke" eingestuft werden.

EuGH, Urteil vom 12.09.2019 - C-683/17

Redaktion beck-aktuell, 12. September 2019.