Ungarische Bank wälzte Wechselkursrisiko bei Kredit auf Verbraucher ab
Im Dezember 2009 schloss ein Verbraucher mit der Rechtsvorgängerin eines ungarischen Finanzinstituts einen Kreditvertrag, um sich ein Fahrzeug zu kaufen. Der Vertrag lautete auf Schweizer Franken (CHF). Die monatlichen Tilgungsraten wurden jedoch in ungarische Forint (HUF) umgerechnet. Dadurch unterlag der Vertrag einem Risiko in Bezug auf die Entwicklung des Wechselkurses zwischen HUF und CHF, das gemäß dem Vertrag vom Kreditnehmer zu tragen war.
Kreditnehmer hielt Klausel für missbräuchlich
Der Kreditnehmer berief sich in einem vor ungarischen Gerichten anhängigen Rechtsstreit auf die Missbräuchlichkeit und Unbestimmtheit der betreffenden Kreditvertragsklausel. Nach ungarischem Recht kann ein auf Fremdwährung lautender Kreditvertrag mit einer missbräuchlichen Klausel jedoch nur für unwirksam erklärt werden, wenn das die Unwirksamkeit erklärende Gericht auch die Rechtsfolgen dieser Unwirksamkeit anwendet. Diese Rechtsfolgen können sowohl darin bestehen, dass der Vertrag für gültig erklärt wird, als auch darin, dass das Fortbestehen seiner Wirkungen bis zum Erlass der Entscheidung über die Unwirksamkeit festgestellt wird.
Oberstes ungarisches Gericht macht unverbindliche Vorgaben
Zu diesen Folgen der Unwirksamkeit des Vertrages hatte der Oberste Gerichtshof in Ungarn im Juni 2019 eine unverbindliche Stellungnahme verfasst, die den untergeordneten Gerichten vorgibt, wie sie vorzugehen haben. Danach können diese Gerichte den Vertrag entweder in der Form für gültig erklären, dass er als auf HUF lautend gilt, und dabei einen Zinssatz anwenden, der demjenigen entspricht, der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für Transaktionen in HUF galt, zuzüglich des erhobenen Aufschlags – oder sie können den Vertrag für gültig erklären und dabei den Wechselkurs zwischen Fremdwährung und HUF möglichst hoch ansetzen, wobei der mit dieser Fremdwährung verbundene, im Vertrag vereinbarte Zinssatz als solcher unverändert bleibt.
EuGH soll Vereinbarkeit mit Richtlinie über missbräuchliche Klauseln klären
Das im Rechtsmittelverfahren mit dem Rechtsstreit befasste ungarische Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen einer nationalen Praxis entgegensteht, nach der der Beratungsausschuss des Obersten Gerichtshofs für die untergeordneten Gerichte eine unverbindliche Stellungnahme mit Leitlinien zu den Folgen der Unwirksamkeit eines solchen, eine missbräuchliche Klausel enthaltenden Vertrags verfasst. Für den Fall, dass eine solche Praxis mit der Richtlinie unvereinbar sein sollte, möchte das ungarische Gericht zudem wissen, ob die Richtlinie ihm unter den konkreten Umständen die Wiederherstellung des Zustands erlaubt, der vor dem Vertragsabschluss zwischen den Parteien bestand.
Unverbindliche Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs reicht nicht aus
Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass der Oberste Gerichtshof eines Mitgliedstaats verbindliche Entscheidungen zu den Modalitäten der Umsetzung der Richtlinie erlassen kann. Überdies könne das nationale Gericht eine missbräuchliche Klausel wegfallen lassen und sie durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzen, wenn die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären. Mangels einer solchen dispositiven Vorschrift des nationalen Rechts könne jedoch eine unverbindliche Stellungnahme eines Obersten Gerichtshofs eines Mitgliedstaats, die den untergeordneten Gerichten, die dieser folgen sollten, damit die Möglichkeit lasse, von ihr abzuweichen, nicht als geeignet angesehen werden, um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie sicherzustellen, mit der für die durch eine missbräuchliche Klausel verletzten Personen ein umfassender Schutz gewährleistet werden solle.
Verbraucher dürfen nicht benachteiligt werden
Der EuGH hat hierzu ausgeführt, dass für den Fall, dass eine den Hauptgegenstand des Vertrags betreffende Klausel für missbräuchlich erklärt werden muss, die Richtlinie dem nicht entgegensteht, dass das nationale Gericht für die Vertragsparteien wieder den Zustand herstellt, der für sie bestanden hätte, wenn der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Sollte sich die Wiederherstellung als unmöglich erweisen, habe das nationale Gericht dafür zu sorgen, dass der Verbraucher so gestellt werde, als hätte es die für missbräuchlich erklärte Klausel nie gegeben.
Rechtsgrundlos vereinnahmte Beträge sind zurückzuzahlen
Vorliegend könnten die Interessen des Verbrauchers dadurch geschützt werden, dass ihm die vom Kreditgeber aufgrund der für missbräuchlich erklärten Klausel rechtsgrundlos vereinnahmten Beträge zurückgezahlt werden. Was eine etwaige Umwandlung des auf Fremdwährung lautenden Kreditvertrags in einen auf HUF lautenden Vertrag durch das nationale Gericht angeht, hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Befugnisse des Gerichts nicht über das hinausgehen dürfen, was unbedingt erforderlich ist, um das vertragliche Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien wiederherzustellen und so den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des betreffenden Kreditvertrags nach sich ziehen könnte.