EuGH: Unterstützung einer Terrorvereinigung kann Versagung von Asyl rechtfertigen

Wurde ein Asylsuchender wegen Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt, kann dies zur Ablehnung seines Asylantrags führen. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 31.01.2017 entschieden. Der Antragsteller müsse weder persönlich terroristische Handlungen begangen noch zu solchen Handlungen angestiftet haben oder daran beteiligt gewesen sein (Az.: C-573/14).

Marokkaner in Belgien wegen Beteiligung an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt

Ein belgisches Strafgericht (Tribunal correctionnel de Bruxelles) verurteilte 2006 einen marokkanischen Staatsangehörigen wegen Beteiligung – als führendes Mitglied – an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung (hier: belgische Zelle der "Groupe islamique des combattants marocains", im Folgenden: GICM) sowie wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung, Verwendung gefälschter Urkunden und illegalen Aufenthalts zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Das Gericht befand den Marokkaner unter anderem der "aktiven Beteiligung an der Ausschleusung Freiwilliger in den Irak" für schuldig. Insbesondere das betrügerische Überlassen von Pässen wurde als "Beteiligung an der Tätigkeit einer Zelle, die einer Terrorbewegung logistische Unterstützung leistet", eingeordnet.

Rat für Ausländerstreitsachen: Asylsuchender Marokkaner als Flüchtling anzuerkennen

2010 beantragte der Marokkaner bei den belgischen Behörden Asyl. Er berief sich auf die Furcht vor Verfolgung für den Fall, dass er in sein Herkunftsland zurückkehren müsste, da die Gefahr bestünde, nach seiner Verurteilung in Belgien von den marokkanischen Behörden als radikaler Islamist und Dschihadist eingestuft zu werden. Der Asylantrag wurde abgelehnt. Der mit einer Klage gegen diese Ablehnung befasste Rat für Ausländerstreitsachen (Conseil du contentieux des étrangers) entschied 2011, dass der Asyl begehrende Kläger als Flüchtling anzuerkennen sei. 2012 bestätigte er seine Entscheidung, nachdem seine erste Entscheidung vom Staatsrat (Conseil d’État) aufgehoben worden war.

Handlungen des Marokkaners für Ausschluss von Flüchtlingsanerkennung nicht ausreichend

Der Rat für Ausländerstreitsachen vertrat dabei die Auffassung, dass der Kläger keine terroristischen Straftaten als solche begangen habe, da er wegen seiner Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung (Art. 140 belgisches StGB) verurteilt worden sei, ohne dass ihm das Strafgericht die Begehung einer terroristischen Handlung (Art. 137 belgisches StGB) oder die Beteiligung daran vorgeworfen habe. Es sei weder das geringste Ansetzen des GICM zu einer Handlung, die diesen Straftatbestand erfülle, noch ein eigenes Verhalten des Klägers nachgewiesen worden, das seine persönliche Verantwortung für die Begehung einer solchen Handlung begründen könnte. Nach Ansicht des Rats für Ausländerstreitsachen erreicht keine der Handlungen, wegen deren der Kläger verurteilt worden ist, die erforderliche Schwere, um im Sinne des Art. 12 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG über den Flüchtlingsstatus als Handlung, "die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen … zuwider[läuft]", eingestuft zu werden. Daher könne er nicht aus diesem Grund von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden.

Staatsrat ruft EuGH zur Auslegung der Richtlinie 2004/83/EG an

Der mit einer Kassationsbeschwerde befasste Staatsrat beschloss, dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Er wollte insbesondere wissen, unter welchen Voraussetzungen ein Antragsteller wegen "Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen", von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden kann, wenn er wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung strafrechtlich verurteilt wurde, ohne selbst eine terroristische Handlung begangen zu haben.

EuGH: Keine Verurteilung wegen Beteiligung an terroristischer Handlung erforderlich

Laut EuGH ist der Begriff "Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen" nicht auf terroristische Handlungen beschränkt. Der EuGH verweist dabei insbesondere auf die Resolution 2178 (2014) des Sicherheitsrats, in der dieser "seiner ernsten Besorgnis über die akute und zunehmende Bedrohung, die von ausländischen terroristischen Kämpfern ausgeht", Ausdruck verliehen und seine Besorgnis in Bezug auf Netzwerke ausgedrückt habe, die von terroristischen Einrichtungen aufgebaut worden seien und über die ausländische terroristische Kämpfer und die Ressourcen zu ihrer Unterstützung zwischen den Staaten hin und her geschleust würden. Daher könne sich der in der Richtlinie vorgesehene Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling auch auf Personen erstrecken, die die Anwerbung, Organisation, Beförderung oder Ausrüstung von Personen vornähmen, die in einen Staat reisten, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit sei, um insbesondere terroristische Handlungen zu begehen, zu planen oder vorzubereiten.

Kläger als bedeutender Terrorunterstützer eingestuft

In Bezug auf den Kläger und Beschwerdegegner im Ausgangsverfahren hebt der EuGH als bedeutsam hervor, dass er nach den Feststellungen des Staatsrats ein führendes Mitglied einer terroristischen Vereinigung internationaler Dimension gewesen sei, die 2002 in die Sanktionsliste der Vereinten Nationen aufgenommen worden und auf der seither aktualisierten Liste weiterhin verblieben sei. Seine Handlungen zur logistischen Unterstützung der Aktivitäten dieser Vereinigung hätten insofern eine internationale Dimension, als er an der Fälschung von Pässen beteiligt war und Freiwillige unterstützt habe, die sich in den Irak hätten begeben wollen. Laut EuGH können solche Handlungen den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen. Außerdem sei von besonderer Bedeutung, dass der Kläger wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden und diese Verurteilung rechtskräftig sei. Die endgültige Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz obliege aber den zuständigen nationalen Behörden unter der Kontrolle der nationalen Gerichte.

EuGH, Urteil vom 31.01.2017 - C-573/14

Redaktion beck-aktuell, 31. Januar 2017.

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