Lettisches Hochschulgesetz auf dem Prüfstand
Nach dem lettischen Hochschulgesetz sind Hochschulen, einschließlich privater Hochschulen, verpflichtet, die Studienprogramme ausschließlich in lettischer Sprache zu unterrichten. Allerdings sieht das Gesetz vier Ausnahmen von dieser Verpflichtung vor, nämlich erstens für ausländische Studierende und die europäische oder internationale Zusammenarbeit, zweitens für ein Fünftel der Leistungspunkte, drittens für das Studium fremder Sprachen und Kulturen sowie viertens für gemeinsame Studienprogramme. Das lettische Verfassungsgericht wollte vom Gerichtshof wissen, ob die Verpflichtung mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Niederlassungsfreiheit, vereinbar ist.
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
Der EuGH betonte, dass die Zuständigkeit für Lehrinhalte, Gestaltung des Bildungssystems und berufliche Bildung zwar weiterhin bei den Mitgliedstaaten liege, diese jedoch bei der Ausübung dieser Zuständigkeit die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit beachten müssten. Im entschiedenen Fall sei die Verpflichtung geeignet, für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten die Niederlassung in Lettland weniger attraktiv zu machen. Sie stelle somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Der EuGH ist allerdings der Auffassung, dass das Ziel der Förderung des Gebrauchs einer der Amtssprachen eines Mitgliedstaats als ein legitimes Ziel anzusehen ist, das eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen kann. Die Union achte nämlich die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, zu der auch der Schutz der Amtssprache des betreffenden Mitgliedstaats gehöre.
EuGH bejaht kohärente und systematische Durchführung der Regelung
Was die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung betrifft, so müsse diese geeignet sein, die Erreichung des mit der fraglichen Regelung legitimerweise verfolgten Ziels zu gewährleisten. Dies setzt eine kohärente und systematische Durchführung dieser Regelung voraus. Der EuGH prüfte insoweit, ob die Ausnahmen von der in Rede stehenden Verpflichtung, insbesondere für zwei Hochschuleinrichtungen, deren Betrieb durch besondere Gesetze geregelt ist, geeignet sind, die Verwirklichung des angestrebten Ziels zu behindern. Angesichts der begrenzten Tragweite dieser Ausnahmen wird dies vom Gerichtshof verneint. Indem sie es bestimmten Hochschulen erlauben, von einer Ausnahmeregelung zu profitieren, fügten sich diese Ausnahmen in den besonderen Zusammenhang der internationalen universitären Zusammenarbeit ein und seien daher nicht geeignet, der fraglichen Regelung ihre Kohärenz zu nehmen.
Verpflichtung muss auch Ausnahmen vorsehen
Die Beschränkung dürfe zudem nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. So stehe es den Mitgliedstaaten frei, grundsätzlich eine Verpflichtung zum Gebrauch ihrer Amtssprache im Rahmen von Hochschulstudienprogrammen einzuführen, sofern eine solche Verpflichtung mit Ausnahmen einhergeht, die gewährleisten, dass eine andere Sprache als die Amtssprache im Rahmen der Hochschulbildung verwendet werden kann. Im vorliegenden Fall müssten solche Ausnahmen, damit nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgegangen wird, die Verwendung einer anderen Sprache als der lettischen Sprache zumindest für Studiengänge im Rahmen einer europäischen oder internationalen Zusammenarbeit und für Studiengänge, die sich auf die Kultur und auf andere Sprachen als die lettische Sprache beziehen, erlauben.