EuGH: Fest und befristet angestellte Verwaltungsmitarbeiter dürfen nach unzulässiger disziplinarischer Entlassung ungleich behandelt werden

Dass es für in der spanischen Verwaltung nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer bei einer unzulässigen disziplinarischen Entlassung keine Wiedereinstellungsgarantie gibt, steht mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge in Einklang. Nach dem allgemeinen Recht könne der Arbeitgeber nämlich in einem solchen Fall zwischen der Wiedereingliederung oder der Abfindung des Arbeitnehmers wählen, führt der Europäische Gerichtshof aus. Die Ungleichbehandlung dauerhaft Beschäftigter, die wiedereingegliedert werden müssen, sei aufgrund der Garantie der dauerhaften Beschäftigung gerechtfertigt, auf die sich nach dem nationalen öffentlichen Dienstrecht nur dauerhaft Beschäftigte berufen könnten (Urteil vom 25.07.2018, Az.: C-96/17, BeckRS 2018, 16225).

Krankenschwester erschien nach Teilzeit-Verweigerung nicht zur Arbeit

Gardenia Vernaza Ayovi war Krankenschwester und beim Consorci Sanitari de Terrassa (Gesundheitskonsortium Terrassa, Spanien) auf der Grundlage eines nicht dauerhaften Arbeitsvertrags beschäftigt. Ihr wurde im Juli 2011 ein Urlaub aus persönlichen Gründen gewährt. Als sie ihre Wiedereingliederung beantragte, bot ihr das Consorci Sanitari de Terrassa eine Teilzeitbeschäftigung an. Da sie es ablehnte, eine andere Beschäftigung als eine Vollzeitbeschäftigung auszuüben, erschien sie nicht an ihrem Arbeitsplatz und wurde aus diesem Grund im Juli 2016 disziplinarisch entlassen. Daraufhin beantragte sie beim Arbeits- und Sozialgericht Nr. 2 Terrassa, Spanien, die Feststellung, dass die Kündigung unzulässig war, und die Verurteilung ihres Arbeitgebers entweder zu ihrer Wiedereingliederung oder zur Zahlung der für eine unzulässige Kündigung höchstmöglichen gesetzlichen Abfindung. Hierbei berief sie sich auf das allgemeine Arbeitsrecht.

Spanisches Gericht hat Fragen zu Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge

Jedoch trifft die spanische Regelung eine Unterscheidung: Ein dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer (dauerhaft beschäftigter Vertragsbediensteter), der im öffentlichen Dienst ohne Beamtenstatus beschäftigt ist, muss wiedereingegliedert werden, wenn seine Entlassung für unzulässig erklärt wird. Im gleichen Fall hingegen ist es zulässig, dass ein nicht dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer (unbefristet nicht dauerhaft beschäftigter Vertragsbediensteter oder zeitweise beschäftigter Arbeitnehmer), der die gleichen Tätigkeiten wie der dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer ausübt, nicht wiedereingegliedert wird, sondern eine Abfindung erhält. Das spanische Gericht befragt den Gerichtshof, ob das Unionsrecht, genauer gesagt die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, dieser Regelung entgegensteht. Die Rahmenvereinbarung verbietet nämlich, dass befristet beschäftige Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten schlechter behandelt werden, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

EuGH bejaht Ungleichbehandlung

Der EuGH hat entschieden, dass die Rahmenvereinbarung der fraglichen spanischen Regelung nicht entgegensteht. Zwar bestehe zwischen den dauerhaft und den nicht dauerhaft Beschäftigten im Hinblick auf die Folgen einer etwaigen unzulässigen Entlassung eine Ungleichbehandlung. Somit sei zu prüfen, ob es einen objektiven Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung gibt. Nach der in Spanien allgemein anwendbaren Regel für den Fall einer unzulässigen oder rechtswidrigen Entlassung könne der Arbeitgeber zwischen der Wiedereingliederung oder der Entschädigung des betreffenden Arbeitnehmers wählen. Als Ausnahme hiervon müssten dauerhaft im öffentlichen Dienst Beschäftigte, deren disziplinarische Entlassung für unzulässig erklärt wird, wiedereingegliedert werden.

Merkmale des Rechts des nationalen öffentlichen Dienstes rechtfertigen Differenzierung

Die fragliche Ungleichbehandlung könne zwar nicht durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt werden, das an sich an den Modalitäten der Einstellung dauerhaft Beschäftigter besteht. Dennoch vermögen die Erwägungen, die sich aus den Merkmalen des Rechts des nationalen öffentlichen Dienstes ergeben, wie die Unparteilichkeit, die Wirksamkeit und die Unabhängigkeit der Verwaltung, die eine gewisse Dauerhaftigkeit und Stabilität der Beschäftigung voraussetzen, eine solche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Diese Erwägungen, denen keine Entsprechung im allgemeinen Arbeitsrecht gegenüberstehe, erklärten und rechtfertigten die Grenzen der einseitigen Aufhebungsbefugnis öffentlicher Arbeitgeber und folglich die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, ihnen nicht die Möglichkeit einzuräumen, zwischen Wiedereingliederung und Ersatz des aufgrund einer unzulässigen Entlassung entstandenen Schadens zu wählen.

Automatische Wiedereingliederung dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer steht in anderem Kontext

Der Gerichtshof stellt somit fest, dass die automatische Wiedereingliederung dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer in einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht deutlich anderen Kontext steht als dem, in dem sich nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer befinden. Er kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die festgestellte Ungleichbehandlung folglich durch genau bezeichnete, konkrete Umstände gerechtfertigt ist, die die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem speziellen Zusammenhang und auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien kennzeichnen.

EuGH, Urteil vom 25.07.2018 - C-96/17

Redaktion beck-aktuell, 26. Juli 2018.

Mehr zum Thema