Ungarisches Gericht muss österreichische Geldstrafe für verweigerte Fahrerbennennung vollstrecken

Ein ungarisches Gericht muss eine von den österreichischen Behörden für das Unterlassen der Fahrerbennennung nach einem Verkehrsdelikt verhängte Geldstrafe anerkennen und vollstrecken. Laut Europäischem Gerichtshof darf es die rechtliche Einordnung der sanktionierten Verhaltensweise durch die Entscheidungsbehörde nicht in Frage stellen. Dies widerspräche dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen.

Österreichische Behörden ahndeten unterlassene Fahreridentifizierung durch Halterin

Eine Ungarin, mit deren Kfz im österreichischen Gleisdorf ein Verkehrsdelikt begangen worden war, weigerte sich als Zulassungslenkerin, den österreichischen Behörden den Namen des Fahrers mitzuteilen. Die Behörden verhängten wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro gegen die Ungarin. Anschließend übermittelten sie die Sanktionsentscheidung dem Kreisgericht Zalaegerszeg in Ungarn zur Vollstreckung. Dabei teilten sie dem Gericht mit, dass die geahndete Verwaltungsübertretung in die Kategorie der "gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßenden Verhaltensweise" im Sinne des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen falle. Dieser sieht die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Bezug auf diese Zuwiderhandlungen ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit vor.

Ungarisches Gericht zweifelt an Einordnung des Verhaltens

Das ungarische Kreisgericht bezweifelte, dass die österreichischen Behörden das sanktionierte Verhalten der Frau richtig eingeordnet haben. Es meinte, dieses Verhalten stelle eher eine Weigerung dar, einer behördlichen Anordnung nachzukommen. Das Kreisgericht rief daher den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und bat um Klarstellung, ob es die von den österreichischen Behörden vorgenommene Einordnung des in Rede stehenden Unterlassens in Frage stellen dürfe.

EuGH: Kreisgericht muss Entscheidung anerkennen und vollstrecken

Der EuGH hat entschieden, dass das Kreisgericht die Anerkennung und Vollstreckung der ihm von den österreichischen Behörden übermittelten Sanktionsentscheidung nicht verweigern darf. Er unterstreicht zunächst, dass die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats grundsätzlich verpflichtet sei, die übermittelte Entscheidung anzuerkennen und zu vollstrecken. Sie könne dies nur dann verweigern, wenn einer der im Rahmenbeschluss ausdrücklich vorgesehenen Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung vorliegt. Aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung folge, dass diese Gründe eng auszulegen seien.

Bindung an Einordnung durch Behörde des Entscheidungsstaats

Der Rahmenbeschluss benenne die Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten), die ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit zur Anerkennung und Vollstreckung von übermittelten Entscheidungen führten, wenn sie im Entscheidungsstaat strafbar sind und "so wie sie in dessen Recht definiert sind“. Dazu zähle auch die Kategorie der "gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßende[n] Verhaltensweise". Somit sei die Behörde des Vollstreckungsstaats grundsätzlich an die Beurteilung der in Rede stehenden Zuwiderhandlung durch die Behörde des Entscheidungsstaats gebunden. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Frage, ob diese Zuwiderhandlung unter eine der Kategorien von Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten) ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit fällt.

EuGH, Urteil vom 06.10.2021 - C-136/20

Redaktion beck-aktuell, 6. Oktober 2021.

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