EuGH: Un­ga­ri­sche Re­ge­lun­gen zur Kon­zes­sio­nie­rung von Prä­senz­ka­si­nos und On­line-Ka­si­no­spie­len ver­sto­ßen gegen EU-Recht

Die un­ga­ri­schen Rechts­vor­schrif­ten über die Er­tei­lung von Kon­zes­sio­nen zum Be­trieb her­kömm­li­cher Ka­si­nos sowie über die Ver­an­stal­tung von On­line-Ka­si­no­spie­len ver­sto­ßen gegen die EU-Dienst­leis­tungs­frei­heit. Dies hat der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof mit Ur­teil vom 28.02.2018 ent­schie­den. Denn sie hin­der­ten in einem an­de­ren Mit­glied­staat an­säs­si­ge Glücks­spiel­ver­an­stal­ter in dis­kri­mi­nie­ren­der Weise am Zu­gang zum un­ga­ri­schen Markt für diese Spie­le (Az.: C-3/17).

Bu­ß­geld wegen un­er­laub­ter Ver­an­stal­tung von On­line-Glücks­spie­len ver­hängt

Sporting Odds ist eine bri­ti­sche Ge­sell­schaft, die eine Er­laub­nis zur Ver­an­stal­tung von On­line-Glücks­spie­len – unter Ein­schluss von Ka­si­no­spie­len – im Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich be­sitzt. 2016 stell­te die un­ga­ri­sche Fi­nanz­ver­wal­tung fest, dass Sporting Odds in Un­garn On­line-Glücks­spie­le anbot, ohne über die nach den un­ga­ri­schen Rechts­vor­schrif­ten hier­für er­for­der­li­che Kon­zes­si­on oder Er­laub­nis zu ver­fü­gen. Für die­sen Rechts­ver­stoß ver­häng­te die Fi­nanz­ver­wal­tung gegen Sporting Odds ein Bu­ß­geld in Höhe von 3.500.000 un­ga­ri­schen Fo­rint (etwa 11.260 Euro).

Vor­la­ge­ge­richt: Un­ga­ri­sche Re­ge­lun­gen mit EU-Dienst­leis­tungs­frei­heit ver­ein­bar? 

Sporting Odds ist der An­sicht, dass die un­ga­ri­schen Re­ge­lun­gen für die Ver­an­stal­tung von On­line-Glücks­spie­len, ins­be­son­de­re die Re­geln für On­line-Ka­si­no­spie­le, gegen das Uni­ons­recht ver­stie­ßen. Das Un­ter­neh­men erhob des­halb gegen die Ent­schei­dung der Fi­nanz­ver­wal­tung An­fech­tungs­kla­ge beim zu­stän­di­gen un­ga­ri­schen Ge­richt. Die­ses Ge­richt rief den EuGH im Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren an, um die Ver­ein­bar­keit der un­ga­ri­schen Re­ge­lun­gen für die Ver­an­stal­tung von her­kömm­li­chen und On­line-Ka­si­no­spie­len mit dem Grund­satz des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs klä­ren zu las­sen.

EuGH: Dua­les Sys­tem im Glücks­spiel­markt zur Sucht­prä­ven­ti­on zu­läs­sig 

Der EuGH legt zu­nächst dar, dass das duale Sys­tem zur Or­ga­ni­sa­ti­on des Glücks­spiel­markts in Un­garn, wo­nach be­stimm­te Arten von Glücks­spie­len (na­ment­lich Sport- und Pfer­de­wet­ten) einem staat­li­chen Mo­no­pol un­ter­lie­gen, wäh­rend an­de­re (ins­be­son­de­re her­kömm­li­che und On­line-Ka­si­no­spie­le) von pri­va­ten Be­trei­bern mit einer ent­spre­chen­den Er­laub­nis ver­an­stal­tet wer­den dür­fen, die Ver­ein­bar­keit des Mo­no­pols mit dem Grund­satz des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs nicht in Frage stel­le. Denn ein sol­ches dua­les Sys­tem be­ein­träch­ti­ge für sich ge­nom­men nicht die Ge­eig­net­heit die­ses Mo­no­pols zur Er­rei­chung sei­nes Ziels, Glücks­spiel­sucht bei den Bür­gern zu ver­hin­dern. Auch der Um­stand, dass die­ses duale Sys­tem of­fen­bar nicht nur be­zwe­cke, die mit ihm ver­folg­ten le­gi­ti­men Ziele zu er­rei­chen, son­dern auch, zu­sätz­li­che Staats­ein­nah­men zu ge­ne­rie­ren und eine kon­trol­lier­te Ex­pan­si­on von Glücks­spie­len zu be­güns­ti­gen, stel­le für sich al­lein nicht die Recht­mä­ßig­keit der un­ga­ri­schen ge­setz­li­chen Re­ge­lung in Frage, so­weit diese die ge­nann­ten Ziele tat­säch­lich ver­fol­ge. Daher sei das duale Sys­tem vor­be­halt­lich der vom un­ga­ri­schen Ge­richt zu prü­fen­den Ein­hal­tung die­ser Ziele mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar.

Kon­zes­sio­nier­ter Ka­si­no­be­trieb in Un­garn als Be­din­gung einer Er­laub­nis für On­line-Ka­si­no­spie­le ist dis­kri­mi­nie­rend 

Einen Ver­stoß gegen die Dienst­leis­tungs­frei­heit sieht der EuGH hin­ge­gen in der Re­ge­lung, dass nur sol­che Glücks­spiel­ver­an­stal­ter eine Er­laub­nis zur Ver­an­stal­tung von On­line-Ka­si­no­spie­len er­hal­ten kön­nen, die auf­grund einer Kon­zes­si­on ein Ka­si­no im In­land be­trei­ben. Dabei hand­le es sich um eine dis­kri­mi­nie­ren­de Be­schrän­kung. Nach Auf­fas­sung des EuGH lässt sich eine der­art ein­schnei­den­de Be­schrän­kung des Grund­sat­zes des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs mit den von der un­ga­ri­schen Re­gie­rung ge­nann­ten Zie­len der öf­fent­li­chen Ord­nung und Ge­sund­heit nicht recht­fer­ti­gen, da diese Ziele mit we­ni­ger be­ein­träch­ti­gen­den Maß­nah­men er­reicht wer­den könn­ten.

Re­ge­lung über Zu­gang zu Kon­zes­si­ons­ver­trä­gen ver­stö­ßt gegen Dienst­leis­tungs­frei­heit

Hin­sicht­lich der Frage, ob Un­garn auf nicht dis­kri­mi­nie­ren­de Weise si­cher­stel­le, dass die Vor­be­din­gung für den Er­halt einer Er­laub­nis zur Ver­an­stal­tung von On­line-Ka­si­no­spie­len (also der Be­sitz einer Kon­zes­si­on zum Be­trieb eines her­kömm­li­chen Ka­si­nos) von den Ver­an­stal­tern er­füllt wer­den könne, ver­weist der EuGH auf sein Ur­teil "Uni­bet" (BeckRS 2017, 113944), mit dem er in einem an­de­ren Kon­text be­reits fest­ge­stellt habe, dass die un­ga­ri­sche Re­ge­lung über den Zu­gang zu Kon­zes­si­ons­ver­trä­gen, die die Ver­an­stal­tung von On­line-Glücks­spie­len er­mög­li­chen, rechts­wid­rig sei. Der EuGH führt in­so­weit aus, dass das un­ga­ri­sche Recht zwar die Mög­lich­keit von Aus­schrei­bun­gen zur Ver­ga­be von Kon­zes­si­ons­ver­trä­gen vor­se­he, eine sol­che Aus­schrei­bung aber bis­lang in Un­garn nicht durch­ge­führt wor­den sei.

Be­schrän­kung eines Kon­zes­si­ons­ver­trags ohne Aus­schrei­bung auf "zu­ver­läs­si­ge" Glücks­spiel­ver­an­stal­ter be­nach­tei­li­gend

Au­ßer­dem stel­le die Be­din­gung, dass ein "zu­ver­läs­si­ger" Glücks­spiel­ver­an­stal­ter – mit dem der Staat nach un­ga­ri­schem Recht auch ohne Aus­schrei­bung Kon­zes­si­ons­ver­trä­ge ab­schlie­ßen könne – zehn Jahre lang Glücks­spie­le in Un­garn ver­an­stal­tet haben muss, eine Un­gleich­be­hand­lung dar. Denn die­ses Er­for­der­nis be­nach­tei­li­ge in an­de­ren Mit­glied­staa­ten an­säs­si­ge Glücks­spiel­ver­an­stal­ter ge­gen­über in­län­di­schen Ver­an­stal­tern, die diese Vor­aus­set­zung leich­ter er­fül­len könn­ten. Unter die­sen Be­din­gun­gen sei weder die un­ga­ri­sche Re­ge­lung über die Er­tei­lung von Kon­zes­sio­nen zum Be­trieb her­kömm­li­cher Ka­si­nos noch die un­ga­ri­sche Re­ge­lung für die Ver­an­stal­tung von On­line-Ka­si­no­spie­len mit dem Grund­satz des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs ver­ein­bar.

EuGH, Urteil vom 28.02.2018 - C-3/17

Redaktion beck-aktuell, 1. März 2018.

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