EU-Parlament rief EuGH an
Das zwischen der Europäischen Union und Kanada ausgehandelte Abkommen (Passenger Name Records – PNR) wurde 2014 unterzeichnet. Der Rat der Europäischen Union ersuchte das Europäische Parlament um Zustimmung zum Abkommen. Das Parlament wiederum rief den EuGH an, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob das geplante Abkommen mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Vorschriften über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten, vereinbar ist. Es ist das erste Mal, dass der EuGH über die Vereinbarkeit einer geplanten internationalen Übereinkunft mit der Grundrechtecharta der Europäischen Union zu befinden hat. Grundsätzlich gilt, dass bei einem ablehnenden Gutachten die geplante Übereinkunft nur in Kraft treten kann, wenn sie oder die Verträge geändert werden.
EuGH: Mehrere Bestimmungen widersprechen von EU anerkannten Grundrechten
Der EuGH moniert, dass mehrere Bestimmungen des Abkommens nicht mit den von der Union anerkannten Grundrechten vereinbar seien. Es ermögliche die systematische und kontinuierliche Übermittlung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste an eine kanadische Behörde zur Verwendung, Speicherung und eventuellen Weitergabe an andere Behörden und Drittländer mit dem Ziel der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität. Es sehe dabei unter anderem eine Speicherung der PNR-Daten für die Dauer von fünf Jahren, Anforderungen an die Sicherheit und Integrität der Daten, die sofortige Unkenntlichmachung sensibler Daten, Rechte auf Zugang zu den Daten, auf ihre Berichtigung und auf ihre Löschung sowie die Möglichkeit vor, verwaltungsrechtliche oder gerichtliche Rechtsbehelfe einzulegen.
PNR-Daten liefern Informationen über Privatleben der Passagiere
Die PNR-Daten könnten zusammen betrachtet unter anderem einen gesamten Reiseverlauf, Reisegewohnheiten, Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Personen sowie Informationen über die finanzielle Situation der Fluggäste, ihre Ernährungsgewohnheiten oder ihren Gesundheitszustand offenbaren und sogar sensible Daten über die Fluggäste liefern. Die übermittelten PNR-Daten sollen zudem vor der Ankunft der Fluggäste in Kanada systematisch durch automatisierte Verfahren analysiert werden, die auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien beruhen. Dadurch könnten weitere Informationen über das Privatleben der Fluggäste erlangt werden. Schließlich mache das Abkommen, da die PNR-Daten bis zu fünf Jahre gespeichert werden können, Informationen über das Privatleben der Fluggäste während eines besonders langen Zeitraums verfügbar.
EuGH bejaht Eingriff in zwei Grundrechte
Der Gerichtshof stellt deshalb fest, dass sowohl die Übermittlung der PNR-Daten von der Union an Kanada als auch die im geplanten Abkommen enthaltenen Regeln für die Speicherung, Verwendung und eventuelle Weitergabe der Daten an kanadische, europäische oder ausländische Behörden in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens eingreifen. Das geplante Abkommen stelle ferner einen Eingriff in das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten dar.
EuGH hält Eingriffe für zu weitgehend
Zwar seien die fraglichen Eingriffe durch die Verfolgung eines dem Gemeinwohl dienenden Ziels (Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit im Rahmen der Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität) gerechtfertigt und die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung seien geeignet, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten. Zur Erforderlichkeit der Eingriffe stellte der EuGH aber fest, dass sich mehrere Bestimmungen des Abkommens nicht auf das absolut Notwendige beschränkten und keine klaren und präzisen Regeln enthielten.