EuGH stärkt Schutz von Urheberrechten bei Online-Tauschbörsen
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Das Teilen von Segmenten einer Datei, die ein geschütztes Werk enthält, in einem Torrent-Peer-to-Peer-Netz stellt eine "öffentliche Zugänglichmachung" im Sinn der Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG dar. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden, der zugleich auch weitere bedeutsame Fragen zur Herausgabe von Nutzerdaten und zur systematischen Speicherung von IP-Adressen geklärt hat.

Herausgabe von Nutzerdaten nach illegalem Filesharing begehrt

Das in Zypern ansässige Unternehmen Mircom ist aus abgetretenem Recht Inhaberin bestimmter Rechte an diversen Erotik-Filmen. Es hat in Belgien Klage gegen einen Internetprovider (Telenet) auf Vorlage der Daten zur Identifizierung von Telenet-Kunden erhoben, deren Internetanschlüsse dazu genutzt wurden, in einem Peer-to-Peer-Netz über das BitTorrent-Protokoll Filme aus dem Repertoire von Mircom zu teilen. Die IP-Adressen der Verbindungen wurden im Auftrag von Mircom von einem spezialisierten Unternehmen erhoben. Das belgische Gericht rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und bat um Klärung mehrerer Fragen.

EuGH: Hochladen von Segmenten geschützten Werkes in Torrent-P2P-Netz ist "öffentliche Zugänglichmachung"

Der EuGH stellt zunächst klar, dass ein Hochladen von zuvor heruntergeladenen Segmenten einer Mediendatei, die ein geschütztes Werk enthält, in einem Torrent-Peer-to-Peer-Netz eine "öffentliche Zugänglichmachung eines Werks" im Sinn der Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG darstellt. Dies gelte auch, wenn diese Segmente als solche nicht nutzbar seien und das Hochladen automatisch erfolge, sofern der Nutzer sein Einverständnis mit der Filesharing-Software BitTorrent-Client erklärt habe. Jeder Nutzer des Peer-to-Peer-Netzes könne die Originaldatei aus den auf den Computern der anderen Nutzer verfügbaren Segmenten leicht wieder zusammensetzen. Durch das Herunterladen der Segmente einer Datei mache er sie zugleich für das Hochladen durch andere Nutzer zugänglich.

Keine Mindestzahl von Segmenten erforderlich

Er müsse auch keine Mindestmenge an Segmenten herunterladen. Jede Handlung, mit der er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens Zugang zu geschützten Werken verschaffe, könne eine Zugänglichmachung darstellen. Hier handele es sich um eine solche Handlung, weil sie auf eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten abziele, eine recht große Zahl von Personen betreffe und gegenüber einem neuen Publikum erfolge. Mit dieser Auslegung solle der angemessene Ausgleich zwischen den Interessen und Grundrechten der Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums einerseits und den Interessen und Grundrechten der Nutzer von Schutzgegenständen andererseits gesichert werden.

Auskunftsrecht auch bei bloßer Geltendmachung von Schadensersatz als Zessionar

Ferner hat der EuGH entschieden, dass auch dem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums, der diese Rechte - wie hier Mircom - im Wege einer Forderungsabtretung erworben habe und sie nicht nutze, sondern von mutmaßlichen Verletzern Schadensersatz verlangen möchte, grundsätzlich die im Unionsrecht vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zustehen können. Sein Antrag dürfe aber nicht missbräuchlich sein und müsse gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Die etwaige Feststellung eines solchen Missbrauchs unterliege der Würdigung durch das vorlegende Gericht, das zu diesem Zweck etwa prüfen könnte, ob tatsächlich Klagen erhoben worden seien, wenn eine gütliche Lösung abgelehnt wurde. Insbesondere könne ein Auskunftsantrag wie der von Mircom nicht deshalb als unzulässig angesehen werden, weil er in einem vorgerichtlichen Verfahren gestellt worden sei. Der Antrag sei jedoch abzulehnen, wenn er unbegründet sei oder nicht die Verhältnismäßigkeit wahre. Die habe das nationale Gericht zu prüfen. Mit dieser Auslegung werde ein hohes Schutzniveau für das geistige Eigentum im Binnenmarkt bezweckt, so der der EuGH.

Systematische Speicherung von IP-Adressen unter Voraussetzungen zulässig

Zudem hat der EuGH entschieden, dass das Unionsrecht grundsätzlich weder den Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums oder einen in dessen Auftrag handelnden Dritten daran hindert, IP-Adressen von Nutzern von Peer-to-Peer-Netzen, deren Internetanschlüsse für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzt worden sein sollen, systematisch zu speichern (vorgelagerte Datenverarbeitung), noch dem entgegensteht, dass die Namen und Anschriften der Nutzer an den Rechtsinhaber oder an einen Dritten im Hinblick auf eine Schadensersatzklage übermittelt werden (nachgelagerte Datenverarbeitung). Die dahin gehenden Maßnahmen und Anträge müssten jedoch gerechtfertigt, verhältnismäßig, nicht missbräuchlich und in einer nationalen Rechtsvorschrift vorgesehen sein, die die Rechte und Pflichten aus dem Unionsrecht beschränke. Der EuGH stellt klar, dass das Unionsrecht keine Verpflichtung für eine Gesellschaft wie Telenet begründe, personenbezogene Daten an Privatpersonen zu übermitteln, damit diese vor den Zivilgerichten Urheberrechtsverstöße verfolgen können. Das Unionsrecht erlaube es den Mitgliedstaaten jedoch, eine solche Verpflichtung vorzusehen.

EuGH, Urteil vom 17.06.2021 - C-597/19

Redaktion beck-aktuell, 17. Juni 2021.