Tätigkeit anwaltlichen Betreuers in Luxemburg kann umsatzsteuerfrei sein

Die Tätigkeit eines Anwalts zum Schutz nicht geschäftsfähiger Erwachsener stellt grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Sie kann aber von der Mehrwertsteuer befreit sein, wenn die Dienstleistungen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind und der Anwalt für das Unternehmen, das er zu diesem Zweck betreibt, über eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter verfügt. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden.

Anwaltlicher Betreuer in Luxemburg wendet sich gegen Mehrwertsteuerpflicht

Der Kläger ist Anwalt in Luxemburg. Seit 2004 übt er eine Tätigkeit als Vertreter im Rahmen von Regelungen zum Schutz nicht geschäftsfähiger Erwachsener aus, die in Deutschland der eines rechtlichen Betreuers gleichkommt. Diesbezüglich forderte die luxemburgische Steuerverwaltung von ihm Mehrwertsteuer für die Jahre 2014 und 2015. Der Kläger machte demgegenüber geltend, dass eine Steuerbefreiung für soziale Tätigkeiten greife. Das mit dem Rechtsstreit befasste Bezirksgericht ersuchte den EuGH um Klärung und stellte ihm die Frage, ob die betreffenden Tätigkeiten unter den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen würden, ob sie als “eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ von der Mehrwertsteuer befreit seien und und ob der Anwalt, der sie ausübe, als “von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung“ angesehen werden könne.

EuGH bejaht grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit

Der Gerichtshof hat jetzt entschieden, dass Dienstleistungen, die zugunsten nicht geschäftsfähiger Erwachsener erbracht werden und deren Schutz bei zivilrechtlichen Handlungen dienen, eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Es sei auch dann von der Erbringung steuerpflichtiger Dienstleistungen gegen Entgelt auszugehen, wenn die Gegenleistung für diese Dienstleistungen nicht unmittelbar vom Empfänger, sondern von einem Dritten erbracht werde oder die Vergütung für die Dienstleistungen auf der Grundlage einer an die finanziellen Verhältnisse der nicht geschäftsfähigen Person anknüpfenden Prüfung festgelegt oder als Pauschale entrichtet werde. Der Kläger habe aus den bewirkten Leistungen Einnahmen erzielt, die nachhaltigen Charakter hätten. Die Höhe der Einnahmen seien gemessen an den Betriebskosten auch nicht unzureichend.

Rechtliche Beratung für Betreute ist keine steuerfreie soziale Tätigkeit

Die genannten Dienstleistungen fielen zwar unter den Begriff “eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ im Sinn der Mehrwertsteuerrichtlinie und wären demnach steuerfrei. Dies gelte aber nicht für allgemeinere Tätigkeiten des Beistands oder der Beratung rechtlicher, finanzieller oder anderer Art, wie etwa solche, die mit den speziellen Kenntnissen eines Anwalts, eines Finanzberaters oder eines Immobilienmaklers verbunden seien, selbst wenn sie von einem Dienstleistungserbringer im Kontext des Beistands, den er einer nicht geschäftsfähigen Person leistet, erbracht würden.

Steuerfreiheit bei dauerhaftem sozialem Engagement dennoch möglich

Der Gerichtshof ergänzte aber, dass es Aufgabe jedes Mitgliedstaats sei, Vorschriften in Bezug auf die Anerkennung des sozialen Charakters von "Einrichtungen", die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, zu erlassen. Das Unionsrecht erlaube es, hierunter auch natürliche Personen zu fassen, die im Rahmen ihres Unternehmens eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Auch wenn sich die Berufsgruppe der Anwälte als solche nicht durch einen sozialen Charakter kennzeichne, sei nicht ausgeschlossen, dass ein Anwalt, der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen erbringe, ein dauerhaftes soziales Engagement leiste. Ein solches Engagement habe der Kläger möglicherweise in den Jahren 2014 und 2015 geleistet, sodass das Vorlagegericht dies konkret prüfen müsse.

EuGH, Urteil vom 15.04.2021 - C-846/19

Redaktion beck-aktuell, 15. April 2021.