Stuttgart-21-Kritiker dürfen auf interne Dokumente zu Polizeieinsatz hoffen

Im Streit um die Herausgabe von Dokumenten rund um das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch interne Informationen veröffentlicht werden können. Stuttgart-21-Kritiker verlangen vom Land, mehrere Dokumente zur Verfügung zu stellen, von denen sie sich Aufklärung über einen hoch umstrittenen Polizeieinsatz im Schlossgarten im Jahr 2010 erhoffen.

Personen durch Polizeigewalt verletzt

Bei dem Einsatz waren zahlreiche Bürger durch Polizeigewalt verletzt worden, einige davon schwer. Das Verwaltungsgericht Stuttgart erklärte den Einsatz im November 2015 für rechtswidrig. Die Kritiker hatten in einem Verfahren weitere Informationen aus internen Dokumenten des baden-württembergischen Staatsministeriums einsehen wollen und sich hierfür letztlich vor dem Bundesverwaltungsgericht auf die Umweltinformationsrichtlinie berufen. Das Gericht bat im Mai 2019 den EuGH darum, Detailfragen zu klären, etwa wann und wie interne Mitteilungen einer Behörde geschützt sind (NVwZ 2019, 1514).

EuGH definiert "interne Mitteilung"

Der EuGH stellte nun klar, dass viele Regelungen der Informationsfreiheit Ausnahmen für interne Mitteilungen vorsehen. Der Grund für solche Ausnahmen bestehe darin, dass die Befreiung von der Bekanntgabe eine umfassende und offene Diskussion in Gremien, die grundsätzlich diesen Regelungen unterliegen, während ihrer Entscheidungsfindungsprozesse ermöglichen soll. Der Begriff "interne Mitteilungen" umfasse sämtliche Dokumente, die – unabhängig von ihrem Inhalt – an eine andere Person gerichtet sind und die den Binnenbereich einer Behörde im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4 zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständige Behörde über den bei ihr gestellten Antrag entscheidet, noch nicht verlassen haben.

Zeitablauf kann Merkmal "intern" aufweichen

Die mit dem Zugangsantrag befasste Behörde sei verpflichtet, Gründe zu suchen, die für eine Bekanntgabe sprechen könnten. Der Anwendungsbereich der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 enthaltenen Ausnahme der Veröffentlichungspflichten sei zwar grundsätzlich zeitlich unbegrenzt. Die Zeit, die vergangen sei, könne jedoch einen Gesichtspunkt darstellen, der für eine Pflicht zur Bekanntgabe der angeforderten internen Mitteilung sprechen könne. Sie sei daher in die Interessenabwägung einzubeziehen, die Art. 4 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/4 vorschreiben. Die Behörde könne der Auffassung sein, "dass solche Informationen angesichts der seit ihrer Erstellung vergangenen Zeit nicht mehr vertraulich sind". Anhand dieser Vorgaben hat das BVerwG nun zu entscheiden.

EuGH, Urteil vom 21.01.2021 - C-619/19

Redaktion beck-aktuell, 21. Januar 2021.