Markenrechtlicher Hintergrund
Die britische Gesellschaft Schweppes International und die spanische Gesellschaft Schweppes sind Tochtergesellschaften der Orangina Schweppes Holding, die an der Spitze des Orangina-Schweppes-Konzerns steht. In Europa war Cadbury Schweppes lange Zeit alleinige Inhaberin der verschiedenen nationalen "Schweppes“-Marken ("Parallelmarken“). Im Jahr 1999 übertrug sie die Rechte an einem Teil dieser Parallelmarken, darunter die im Vereinigten Königreich eingetragenen, an Coca-Cola. Sie behielt die übrigen Marken, darunter die in Spanien eingetragenen. Die Parallelmarken, die Cadbury Schweppes behielt, gehören heute Schweppes International.
Spanisches Schweppes stört sich an britischen Schweppes-Flaschen
Die Gesellschaft Schweppes International ist Inhaberin der Marke "Schweppes“ in Spanien, wo die spanische Gesellschaft Schweppes das ausschließliche Nutzungsrecht an dieser Marke hat. Im Jahr 2014 erhob diese Gesellschaft Klage gegen Red Paralela wegen Verletzung des Markenrechts, weil Red Paralela mit der Marke "Schweppes“ versehene Tonic-Water-Flaschen aus dem Vereinigten Königreich nach Spanien eingeführt und dort vermarktet haben soll. Schweppes Spanien hält dieses Vorgehen für rechtswidrig, da die Tonic-Water-Flaschen nicht von ihr selbst oder mit ihrer Zustimmung hergestellt und vermarktet worden seien, sondern von Coca-Cola, die keinerlei Beziehungen zum Orangina-Schweppes-Konzern habe. Da die fraglichen Zeichen und Waren identisch seien, sei der Verbraucher nicht in der Lage, die betriebliche Herkunft der Flaschen zu erkennen.
Red Paralela beruft sich auf die Erschöpfung des Markenrechts
Red Paralela beruft sich zu ihrer Verteidigung gegen die Markenverletzungsklage auf die Erschöpfung des Markenrechts, die sich in Bezug auf Schweppes-Waren aus den Mitgliedstaaten der Union, in denen Coca-Cola die Markeninhaberin sei, aus einer stillschweigenden Zustimmung ergebe. Außerdem gebe es unbestreitbar rechtliche und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Coca-Cola und Schweppes International bei der gemeinsamen Nutzung des Zeichens "Schweppes“ als universelle Marke. Der Juzgado de lo Mercantil n° 8 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 8 von Barcelona, Spanien) hat diesen Komplex dem EuGH vorgelegt.
EuGH: Gesamterscheinungsbild entscheidend
Der Gerichtshof hat jetzt entschieden, dass das Unionsrecht den Inhaber einer nationalen Marke unter bestimmten Voraussetzungen daran hindert, sich der Einfuhr identischer, mit der gleichen Marke versehener Waren aus einem anderen Mitgliedstaat zu widersetzen. Das sei dann der Fall, wenn diese Marke, die ursprünglich demselben Inhaber gehörte, nunmehr einem Dritten gehört, der sie durch Übertragung erworben hat, sofern der Inhaber nach dieser Übertragung, allein oder durch Koordinierung seiner Markenstrategie mit dem Dritten, weiterhin aktiv und bewusst einen einheitlichen Gesamtauftritt oder ein einheitliches Gesamterscheinungsbild der Marke gefördert und damit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen Verwirrung über die betriebliche Herkunft der mit ihr versehenen Waren geschaffen oder sie verstärkt hat.
Markeninhaber hat Hauptfunktion der Marke selbst verfälscht
Das nahm der EuGH für den konkreten Fall an. Die Hauptfunktion der Marke bestehe darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren, indem sie es ihm ermögliche, diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer Herkunft zu unterscheiden. Mit seinem Verhalten habe der Inhaber hier selbst diese Funktion beeinträchtigt oder sogar verfälscht. Deshalb könne er sich nicht unter Berufung auf das Erfordernis, diese Funktion aufrechtzuerhalten, der Einfuhr identischer, mit derselben Marke versehener Waren widersetzen, die aus einem anderen Mitgliedstaat stammen, in dem die Marke nunmehr dem Dritten gehört.
Widersetzen gegen Einfuhr scheitert auch an Kooperation der Parteien
Außerdem entschieden die Luxemburger Richter, dass sich der Inhaber auch dann, wenn er kein einheitliches Gesamterscheinungsbild der Marke gefördert habe, der Einfuhr der fraglichen Waren nicht widersetzen dürfe, wenn zwischen ihm und dem Dritten in dem Sinne wirtschaftliche Beziehungen bestehen, dass sie ihre Geschäftspolitiken koordinieren oder sich absprechen, um die Nutzung der Marke gemeinsam zu kontrollieren, so dass sie unmittelbar oder mittelbar bestimmen können, auf welchen Waren die Marke angebracht wird, und ihre Qualität kontrollieren können. Die Hauptfunktion der Marke werde durch die Freiheit der Einfuhren nämlich nicht beeinträchtigt, wenn der Markeninhaber im Einfuhrstaat und der Markeninhaber im Ausfuhrstaat zwar verschiedene, aber wirtschaftlich miteinander verbundene Personen sind.
EuGH präzisiert Kriterien der wirtschaftlichen Beziehung
Eine solche wirtschaftliche Beziehung liegt laut EuGH unter anderem dann vor, wenn die betreffenden Waren von einem Lizenznehmer, einer Mutter- oder Tochtergesellschaft desselben Konzerns oder einem Alleinvertriebshändler in den Verkehr gebracht wurden. Diesen Sachverhalten ist nämlich gemeinsam, dass der Inhaber oder die Einrichtung, zu der er gehört, die Qualität der mit der Marke versehenen Waren kontrollieren kann. Das Kriterium der wirtschaftlichen Beziehung ist für den EuGH auch dann erfüllt, wenn nach der Aufspaltung der nationalen Parallelmarken durch eine räumlich begrenzte Übertragung die Inhaber dieser Marken ihre Geschäftspolitik koordinieren oder sich absprechen. Würde man solchen Markeninhabern gestatten, ihre jeweiligen Gebiete vor der Paralleleinfuhr dieser Waren zu schützen, würde dies zu einer vom Gegenstand des Markenrechts nicht gedeckten und insbesondere für die Wahrung der Hauptfunktion der betroffenen Marken nicht erforderlichen Abschottung der nationalen Märkte führen.