EuGH: EuG muss neu über Selektivität spanischer Steuerregeln beim Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen entscheiden

Das Gericht der Europäischen Union hat die Voraussetzung der Selektivität staatlicher Beihilfen in Bezug auf eine spanische Regelung über Abschreibungen beim Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen falsch angewandt. Es hat deswegen einen Fehler begangen, als es die Entscheidungen der EU-Kommission, mit denen eine spanische Steuerregelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wurde, für nichtig erklärt hat. Dies stellt der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 21.12.2016 klar (Az.: C-20/15 P). Das EuG muss nun noch einmal über die Selektivität der Beihilfen entscheiden.

Rechtlicher Hintergrund

Wenn ein in Spanien steuerpflichtiges Unternehmen an einem "ausländischen Unternehmen" eine Beteiligung von mindestens 5% erwirbt und die Beteiligung mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gehalten wird, kann der Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus diesem Beteiligungserwerb ergibt, nach dem spanischen Körperschaftsteuergesetz im Weg der Abschreibung von der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer, die das Unternehmen schuldet, abgezogen werden. Als "ausländisches Unternehmen" gilt nach diesem Gesetz ein Unternehmen, das einer Steuer unterliegt, die der in Spanien geltenden Steuer vergleichbar ist, und dessen Einnahmen hauptsächlich aus im Ausland durchgeführten unternehmerischen Tätigkeiten stammen. Nach spanischem Steuerrecht kann ein in Spanien steuerpflichtiges Unternehmen beim Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen mit Sitz in Spanien den aus diesem Erwerb stammenden Geschäfts- oder Firmenwert nicht separat verbuchen. Bei Unternehmenszusammenschlüssen kann der Geschäfts- oder Firmenwert hingegen abgeschrieben werden.

EU-Kommission stuft Abzugssystem als staatliche Beihilfe ein

Infolge einer Beschwerde eines privaten Marktteilnehmers zu der Frage, ob dieses für den Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen geltende Abzugssystem als staatliche Beihilfe einzustufen sei, eröffnete die Kommission im Oktober 2007 ein formelles Prüfverfahren. Das Verfahren in Bezug auf Beteiligungserwerbe innerhalb der Europäischen Union wurde mit Entscheidung vom 28.10.2009 abgeschlossen, dasjenige über Beteiligungserwerbe außerhalb der Union mit Beschluss vom 12.01.2011. Diese Rechtsakte erklären das durch das spanische Recht errichtete System für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und ordnen die Rückforderung der gewährten Beihilfen durch Spanien an.

EuG erklärt Rechtsakte der Kommission auf Unternehmensklagen hin für nichtig

Drei in Spanien ansässige Unternehmen, World Duty Free Group (vormals Autogrill España), Banco Santander und Santusa Holding, beantragten beim EuG, diese Rechtsakte der Kommission für nichtig zu erklären. Mit seinen Urteilen vom 07.11.2014 erklärte das Gericht die beiden Rechtsakte der Kommission für nichtig, da seiner Auffassung nach die Selektivität des spanischen Systems in diesen Rechtsakten nicht dargetan worden sei (BB 2014, 2919 BB 2015, 1188). Die Kommission hat daraufhin beim EuGH die Aufhebung der Urteile des Gerichts beantragt. Sie beruft sich dabei auf einen vom Gericht bei der Auslegung der Voraussetzung der Selektiviät begangenen Rechtsfehler.

EuGH hebt EuG-Urteile auf

Der EuGH hat daraufhin die beiden Urteile des Gerichts aufgehoben und die Sachen an das EuG zurückverwiesen. Das Gericht habe bei der Anwendung der Voraussetzung der Selektivität – einer der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Maßnahme als "staatliche Beihilfe" im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden kann – dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es die streitigen Rechtsakte der Kommission mit der Begründung für nichtig erklärt hat, dass diese keine bestimmte Gruppe von Unternehmen festgestellt habe, die als einzige von der in Rede stehenden Maßnahme begünstigt werde.

Selektivität erfordert keine besondere Gruppe begünstigter Unternehmen

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass nach dem für die Feststellung der Selektivität einer nationalen steuerlichen Maßnahme allein einschlägigen Maßstab zu prüfen ist, ob diese Maßnahme geeignet ist, bestimmte Unternehmen gegenüber anderen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden allgemeinen Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die als diskriminierend eingestuft werden kann. Entgegen der Entscheidung des Gerichts lasse sich der Rechtsprechung nicht entnehmen, dass die Kommission für den Nachweis der Selektivität einer nationalen Maßnahme in jedem Fall verpflichtet ist, eine besondere Gruppe von Unternehmen zu ermitteln, die als einzige von der Maßnahme begünstigt wird.

Auf Diskriminierung durch Maßnahme abzustellen

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Kommission die Selektivität der Maßnahmen auf die Tatsache gestützt hat, dass diese von der allgemeinen spanischen Körperschaftsteuerregelung abweichen und Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Situation befinden, ungleich behandeln: In Spanien ansässige Unternehmen, die sich in Höhe von 5% an einem anderen in Spanien ansässigen Unternehmen beteiligen, könnten nämlich den Steuervorteil, den die streitige Maßnahme verschafft, nicht in Anspruch nehmen. Der Nutzen der in Rede stehenden Maßnahme sei vielmehr nur Unternehmen vorbehalten, die eine Beteiligung von mindestens 5% an einem ausländischen Unternehmen erwerben. Der Gerichtshof weist im Übrigen darauf hin, dass eine Voraussetzung für die Anwendung einer Beihilfe ihre Selektivität begründen kann, wenn sie eine Ungleichbehandlung der Unternehmen bewirkt, die davon ausgeschlossen sind. Daher sei er der Auffassung, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es, ohne geprüft zu haben, ob die Kommission festgestellt hatte, dass die in Rede stehende Maßnahme diskriminierend sei, die Selektivität der Maßnahme mit der Begründung verneint hat, dass die Kommission keine besondere Gruppe von Unternehmen ermittelt habe, die als einzige von der in Rede stehenden steuerlichen Maßnahme begünstigt wird.

EuGH, Urteil vom 21.12.2016 - C-20/15

Redaktion beck-aktuell, 22. Dezember 2016.

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