Darf Facebook Werbung nach sexueller Orientierung ausrichten?
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© dpa | Julien Warnand

Der Datenschutzaktivist Max Schrems und der Facebook-Konzern Meta streiten wieder einmal vor dem EuGH. Es geht darum, in welchem Umfang Facebook Daten für personalisierte Werbung nutzen darf, insbesondere die sexuelle Orientierung. Der Generalanwalt hat nun seine Schlussanträge vorgelegt.

Die sexuelle Orientierung gilt nach der DS-GVO grundsätzlich als besonders geschütztes Datum. Wenn jemand sie, wie der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems, auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion bewusst äußert, ist sie allerdings nicht mehr rein privat. Gleichwohl dürfen Unternehmen wie Facebook sie auch dann nicht unbegrenzt nutzen, erklärt EuGH-Generalanwalt Rantos in seinen heute vorgelegten Schlussanträgen (C-446/21).

Schrems hat in der Vergangenheit bereits mehrere Verfahren gegen Facebook geführt und auch schon diverse Male mit seinen Datenschutzklagen den EuGH erreicht. Er hat selbst einen Account bei Facebook und hierzu den Nutzungsbedingungen für die Plattform zugestimmt. Nach eigenem Bekunden erhielt er in der Vergangenheit oft Werbung, die auf homosexuelle Personen abgezielt habe, ebenso wie Einladungen zu

Veranstaltungen, die Homosexuelle adressierten. Zu Schrems sexueller Orientierung findet sich auf seinem Facebook-Profil nichts. Er war der Meinung, diese Werbungen auf Grundlage einer Analyse seiner Interessen zu erhalten und hielt dies für rechtswidrig. Schrems klagte daher vor den österreichischen Gerichten. Danach nahm er an einer öffentlichen Podiumsdiskussion teil, wo er auch über seine sexuelle Orientierung sprach.

Der nun in Österreich mit der Sache befasste Oberste Gerichtshof legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor. Zum einen möchte er wissen, ob nach der DS-GVO ein Netzwerk wie Facebook personenbezogene Daten, über die es verfügt, ohne zeitliche Einschränkung für Zwecke der zielgerichteten Werbung analysieren und verarbeiten darf. Die zweite Frage behandelt den Umstand, dass Schrems seine Sexualität nunmehr öffentlich gemacht hat. Der Oberste Gerichtshof möchte dazu vom EuGH wissen, ob die Äußerung auf der Podiumsdiskussion die Verarbeitung von diesbezüglichen Daten zum Zweck personalisierter Werbung erlaubt.

Generalanwalt weist auf Schranken bei Datenverarbeitung hin

Generalanwalt Rantos betont nun in seinen Schlussanträgen , die DS-GVO untersage, personenbezogene Daten für Zwecke der zielgerichteten Werbung ohne zeitliche Beschränkung - wie es Facebook derzeit wohl tut - zu verarbeiten. Zwar sei personalisierte Werbung grundsätzlich ein legitimer Zweck unter der Verordnung, gleichwohl müssten nationale Gerichte beurteilen, inwieweit der Zeitraum der Speicherung und die Menge der verarbeiteten Daten im Hinblick darauf verhältnismäßig seien.

Dahinter verbirgt sich der europarechtliche Grundsatz der Datenminimierung, wonach die Verarbeitung personenbezogener Daten stets auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein muss. Persönliche Daten von Nutzerinnen und Nutzern dürfen damit nicht auf unbestimmte Zeit verwendet werden, auch wenn diese in personalisierte Werbung eingewilligt haben.

Zu Schrems' öffentlichem Auftritt schreibt Rantos, dieser habe hiermit seine sexuelle Orientierung "offensichtlich öffentlich gemacht". Das Verarbeitungsverbot für besonders geschützte Daten - zu denen auch die eigene Sexualität gehört - gelte in einem solchen Fall nicht. Gleichwohl erlaube dies für sich genommen noch nicht die Verarbeitung zum Zweck der personalisierten Werbung.

Schrems-Anwältin: "Ein politischer Kommentar kann nicht für Werbung verwendet werden"

Katharina Raabe-Stuppnig, Rechtsanwältin von Max Schrems, teilte in einem Statement auf der Website der Datenschutz-Organisation NOYB, deren Vorstandsvorsitzender Schrems ist, mit: "Wir sind sehr zufrieden mit den Schlussanträgen, auch wenn dieses Ergebnis eigentlich zu erwarten war." Der Facebook-Mutterkonzern Meta baue schon seit 20 Jahren einen riesigen Datenpool über seine Nutzerinnen und Nutzer auf, der dem Grundsatz der Datenminimierung nicht genüge. "Folgt der Gerichtshof den Schlussanträgen, darf nur ein kleiner Teil dieses Pools für Werbung verwendet werden – auch wenn die Nutzer:innen der Werbung zugestimmt haben", so Raabe-Stuppnig.

Auch durch die Ausführungen des Generalanwalts zu Schrems' öffentlichem Statement sieht sie ihren Mandanten gestärkt: "Wenn man einen politischen Kommentar in den sozialen Medien abgibt, kann dieser nicht für gezielte politische Werbung verwendet werden. Wenn Nutzer:innen alle Rechte an veröffentlichten Informationen verlieren, hätte das eine enorme Abschreckungswirkung auf die freie Meinungsäußerung."

Redaktion beck-aktuell, mam, 25. April 2024.