Ryanair kann sich nicht auf Gerichtsstandklausel für Irland berufen

Die Fluggesellschaft Ryanair kann der Inkassogesellschaft DelayFix (vorher: Passenger Rights), die im Klageweg Ausgleichszahlungen aus abgetretenem Recht für einen annullierten Flug von Mailand nach Warschau vor einem polnischen Gericht geltend macht, nicht entgegenhalten, dass zwischen Ryanair und dem Fluggast per Gerichtsstandklausel irisches Recht für anwendbar erklärt wurde. Das hat der Europäische Gerichtshof am 18.11.2020 entschieden.

Ryanair beruft sich auf Geltung irischen Rechts

Ryanair hatte zunächst vor dem erstinstanzlichen Rayongericht Warschau unter Verweis auf die Rechtswahlklausel in ihren allgemeinen Beförderungsbedingungen die Einrede der Unzuständigkeit der polnischen Gerichte erhoben. Mit dem Kauf seines Online-Flugscheins habe der Fluggast der Rechtswahlklausel zugestimmt und diese lege die Zuständigkeit der irischen Gerichte fest. DelayFix sei als Abtretungsempfänger der Forderung des Fluggasts an diese Klausel gebunden. Nachdem das erstinstanzliche Rayongericht Warschau den Einwand verwarf und der Klage mit dem Hinweis stattgab, die Rechtswahlklausel sei ohnehin missbräuchlich im Sinn der Brüssel-Ia-Verordnung (VO (EU) 1215/2012) und der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, wandte Ryanair nunmehr im Rechtsmittelverfahren ein, Delayfix könne sich auf den für Verbraucherverträge vorgesehenen gerichtlichen Schutz der Richtlinie nicht berufen, da sie selbst kein Verbraucher sei.

Vorlagefrage: Gilt Verbraucherschutz auch für unternehmerischen Abtretungsempfänger?

Das vorlegende Warschauer Bezirksgericht wollte daraufhin vom EuGH wissen, ob die Abtretung der Forderung eines Verbrauchers an einen Gewerbetreibenden bewirkt, dass dieser in die Rechte des Verbrauchers eintritt und sich auf die günstigen verbraucherschützenden Unionsregelungen berufen kann. Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Zweifel des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der im Ausgangsverfahren fraglichen Gerichtsstandklausel sich zwar sowohl auf die Richtlinie 93/13 als auch auf die Verordnung Nr. 1215/2012 bezögen. Da der rechtliche Rahmen derartiger Klauseln durch Art. 25 der Verordnung geregelt werde, sei die gestellte Frage jedoch zunächst im Hinblick auf diese Verordnung zu prüfen.

Prüfmaßstab: Art. 25 der Brüssel-Ia-Verordnung

Da Art. 25 Abs. 1 nicht klarstelle, ob eine Gerichtsstandklausel über den Kreis der Vertragsparteien hinaus an einen Dritten abgetreten werden kann, der Partei eines späteren Vertrags ist und ganz oder teilweise in die Rechte und Pflichten einer der Parteien des ursprünglichen Vertrags eintritt, müsse das erkennende Gericht zunächst prüfen, ob die Gerichtsstandklausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war. Hierfür gebe es jedoch keine Indizien, da sich weder DelayFix noch Ryanair damit einverstanden erklärt hätten, durch eine Gerichtsstandklausel aneinander gebunden zu sein. Ryanair haben sich demnach gegenüber DelayFix schon nicht auf die Rechtswahlklausel berufen dürfen.

EuGH: Gerichtswahlklausel ist rechtsmissbräuchlich

Der EuGH wies außerdem darauf hin, dass es sich bei der Richtlinie 93/13 um eine allgemeine Regelung zum Schutz der Verbraucher handelt. Der Anwendungsbereich der Richtlinie hänge nicht von der Identität der Parteien ab, sondern von der Eigenschaft der Vertragsparteien. Nachdem ursprünglich ein Vertrag zwischen einer Fluggesellschaft und einem Fluggast geschlossen wurde, müssten der Vertrag und seine Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Richtlinie standhalten. Dies tue er jedoch gerade nicht. Vielmehr sei die Gerichtsstandklausel rechtsmissbräuchlich, da sie nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und eine ausschließliche Zuständigkeit dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seinen Sitz hat. Dadurch werde der Verbraucher unangemessen benachteiligt.

Kläger hat Wahl des Gerichtsstandes

Da gemäß Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Brüssel-Ia-Verordnung im Fall von Direktflügen sowohl der Ort des Abflugs als auch der Ort der Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte anzusehen sind, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand eines Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden, habe im Übrigen der Kläger die Wahl, seine Klage bei dem Gericht zu erheben, in dessen Zuständigkeitsbereich entweder der Ort des Abflugs oder der Ort der Ankunft des Flugzeugs liegt.

EuGH, Urteil vom 18.11.2020 - C 519/19

Redaktion beck-aktuell, 4. Dezember 2020.