Petent verlangte Auskunft
Ein Bürger hatte beim Petitionsausschuss des Hessischen Landtags eine Petition eingereicht. In der Folge begehrte er von dem Ausschuss Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten, die der Ausschuss im Rahmen der Behandlung der Petition gespeichert hatte. Seinen Antrag stützte er auf die DS-GVO. Der Präsident des Hessischen Landtags lehnte den Antrag ab: Das Petitionsverfahren sei eine parlamentarische Aufgabe und das Parlament unterliege nicht der DS-GVO.
Zweifelndes VG Wiesbaden ruft EuGH
Der Bürger rief sodann das VG Wiesbaden an. Dieses wies darauf hin, dass das deutsche Recht im Rahmen einer Petition kein Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten vorsehe. Da es jedoch meint, dass sich ein solches Auskunftsrecht aus der DS-GVO ergeben könnte, bat es den EuGH um Klärung. Da es außerdem Zweifel an seiner eigenen Unabhängigkeit und somit an seiner Eigenschaft als Gericht hatte, das zur Vorlage an den EuGH berechtigt ist, hat es den EuGH auch zu diesem Aspekt befragt – dies allerdings nicht, ohne in der deutschen Rechtswissenschaft für Erstaunen zu sorgen.
Staatsrechtler hält Infragestellen eigener Unabhängigkeit für nicht nachvollziehbar
So zeigte sich Staatsrechtler Nikolaus Marsch in einem NJW-Editorial (Heft 21/2019) "fassungslos" und "irritiert" über "das inflationäre Beschwören von Gefahren für die eigene Unabhängigkeit". Die vom VG Wiesbaden erhobene Behauptung, es sei wegen fehlender organisatorischer Unabhängigkeit eigentlich gar kein vorlageberechtigtes Gericht, sei rechtlich kaum nachvollziehbar und in seinen möglichen politischen Auswirkungen fatal. Der EU, so Marsch damals, leiste das VG mit seinem Beschluss einen Bärendienst, da autoritäre Regierungen nun darauf verweisen könnten, dass auch ein deutsches Gericht sich selbst als nicht unabhängig im Sinne des europäischen Rechts ansieht.
EuGH: Zweifel des VG an eigener Unabhängigkeit unbegründet
Auch der EuGH erteilte der Ansicht des VG Wiesbaden eine Absage. Er weist insbesondere darauf hin, dass der bloße Umstand, dass die Legislative oder die Exekutive im Verfahren der Ernennung eines Richters tätig werden, nicht geeignet ist, eine Abhängigkeit dieses Richters ihnen gegenüber zu schaffen oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen zu lassen, wenn der Betroffene nach seiner Ernennung keinerlei Druck ausgesetzt ist und bei der Ausübung seines Amtes keinen Weisungen unterliegt.
EuGH: Verarbeitung personenbezogener Daten durch Petitionsausschuss unterfällt DS-GVO
Zur eigentlichen Vorlagefrage führt der EuGH aus, dass der Petitionsausschuss eines Gliedstaats eines Mitgliedstaats insoweit, als dieser Ausschuss allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheidet, als "Verantwortlicher" im Sinn der DS-GVO einzustufen ist. Die von einem solchen Ausschuss vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten unterliege daher dieser Verordnung, unter anderem der Bestimmung, die den betroffenen Personen ein Recht auf Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten verleiht.
In DS-GVO vorgesehene Ausnahmen greifen nicht
Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, dass die Tätigkeiten des Petitionsausschusses des Hessischen Landtags nicht unter eine in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahme fallen. Er räumt ein, dass diese Tätigkeiten behördlicher Art und spezifische dieses Landes sind, da dieser Ausschuss mittelbar zur parlamentarischen Tätigkeit beiträgt, weist jedoch darauf hin, dass diese Tätigkeiten auch politischer und administrativer Natur sind. Zudem gehe aus den Akten, die dem EuGH vorliegen, in keiner Weise hervor, dass die Tätigkeiten im vorliegenden Fall unter eine der in dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen fallen.