EuGH: EU-Parlament durfte EU-Haushalt 2017 in Brüssel verabschieden

Das Europäische Parlament kann einen Teil seiner Haushaltsbefugnisse in Brüssel statt in Straßburg ausüben, wenn es für den reibungslosen Ablauf des Haushaltsverfahrens geboten ist. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 02.10.2018 entschieden. Deshalb habe das EU-Parlament den Jahreshaushaltsplan der Union für 2017 in zweiter Lesung in Brüssel annehmen dürfen (Az.: C-73/17).

Frankreich wendete sich gegen EU-Haushaltsabstimmung in Brüssel

Frankreich, unterstützt durch Luxemburg, begehrte die Nichtigerklärung mehrerer Handlungen des Europäischen Parlaments, die mit der Annahme des Jahreshaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2017 zusammenhängen. Nach Ansicht Frankreichs hätten die Beratungen über den gemeinsamen Entwurf des Jahreshaushaltsplans in zweiter Lesung, die Abstimmung des Parlaments über diesen Entwurf und die Handlung, mit der der Präsident des Parlaments die Annahme des Haushaltsplans 2017 festgestellt habe, in einer ordentlichen Plenartagung des Parlaments in Straßburg erfolgen müssen und nicht im Rahmen der zusätzlichen Plenartagung, die in Brüssel am 30.11 und 01.12.2016 stattfand. Frankreich stützte sein Vorbringen auf das Protokoll über die Sitze der Organe, wonach das Europäische Parlament seinen Sitz in Straßburg habe und dort auch die Plenartagungen einschließlich der Haushaltstagung stattfinden müssten.

EuGH: Begriff "Haushaltstagung" umfasst auch zweite Lesung

Der EuGH weist zunächst darauf hin, dass das EU-Parlament die ihm zufallenden Haushaltsbefugnisse unter Wahrung der Verträge und der Rechtsakte, die auf der Grundlage der Verträge erlassen worden seien, auszuüben habe. Es müsse das Protokoll über die Sitze der Organe, das integraler Bestandteil der Verträge sei, beachten. Der in diesem Protokoll verwendete Begriff "Haushaltstagung" verweise auf alle Plenartagungen, während derer das Parlament seine Haushaltsbefugnisse ausübe, und auf alle Handlungen, die dieses Organ zu diesem Zweck erlasse. So umfasse der Begriff "Haushaltstagung" nicht nur die ordentliche Plenartagung, die der Prüfung des Entwurfs des Haushaltsplans in erster Lesung gewidmet sei, sondern auch die zweite Lesung, die eine öffentliche Aussprache und Abstimmung in Plenarsitzung über den gemeinsamen Entwurf des Jahreshaushaltsplans, der sich aus dem Vermittlungsverfahren ergeben habe, sicherstelle.

Ausübung der Haushaltsbefugnisse durch Parlament besonders bedeutsam

Die Ausübung der Haushaltsbefugnisse durch das Parlament in der Plenartagung habe eine besondere Bedeutung für die Transparenz und die demokratische Legitimation der Handlungen der Union, die auf dem jährlichen Haushaltsplan beruhten, erläutert der EuGH. Die Transparenz und die Legitimation könnten aber nicht allein durch die erste Lesung des Haushaltsentwurfs im Rahmen des Haushaltsverfahrens gewährleistet werden, wenn das Parlament diesen Entwurf abändere. Das Parlament müsse darüber hinaus die ihm durch den Vertrag für die Ausübung seiner Haushaltsbefugnisse in Plenarsitzung auferlegten Termine und Fristen wahren, um den Erlass des Jahreshaushaltsplans der Union vor dem Ende des Jahres, das dem fraglichen Haushaltsjahr vorausgehe, sicherzustellen. Wenn somit das Parlament in zweiter Lesung innerhalb von 14 Tagen keinen Beschluss über den gemeinsamen Entwurf des Jahreshaushaltsplans fasse und der Rat den Entwurf innerhalb dieser Frist ablehne, müsse das Haushaltsverfahren vollständig wiederholt werden und das Parlament könne über den Erlass des Haushalts nicht allein entscheiden. Fehle eine solche Entscheidung des Parlaments, würde es außerdem dem Rat ermöglicht, den gemeinsamen Entwurf des Jahreshaushaltsplans allein anzunehmen. Es sei aber für die Transparenz und die demokratische Legitimation der Handlungen der Union von besonderer Bedeutung, dass das Parlament in Plenarsitzung über diesen gemeinsamen Entwurf entscheide.

Hohe Maßstäbe bei Haushaltsgesetzgebung 

Der EuGH betont, dass das Parlament in diesem Bereich mit größter Aufmerksamkeit, Genauigkeit und allem Einsatz handeln müsse, den eine solche Verantwortung erfordere. Das setze demnach voraus, dass die parlamentarische Aussprache und Abstimmung auf Texten beruhten, die den Abgeordneten rechtzeitig und in alle Amtssprachen der Union übersetzt übermittelt werden.

Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs des Haushaltsverfahrens rechtfertigt Ausübung eines Teils der Haushaltsbefugnisse in Brüssel

Laut EuGH sind das Protokoll über die Sitze der Organe und die für das Haushaltsverfahrens geltenden Bestimmungen des Vertrags rechtlich gleichrangig. Die Anforderungen aus dem Protokoll als solche könnten denjenigen des Vertrags nicht vorgehen und umgekehrt. Ihre Anwendung müsse auf Einzelfallbasis erfolgen und miteinander in Einklang gebracht werden. Somit sei das Parlament verpflichtet, seine Haushaltsbefugnisse während einer ordentlichen Plenartagung in Straßburg auszuüben, ohne dass diese Verpflichtung aus dem Protokoll über die Sitze der Organe jedoch dem entgegenstehe, dass der Jahreshaushaltsplan, wenn es für den reibungslosen Ablauf des Haushaltsverfahrens erforderlich sei, in einer zusätzlichen Plenartagung in Brüssel debattiert und dort über ihn abgestimmt wird. Es obliege dem Parlament, diese Anforderungen in Einklang zu bringen, wofür es über einen Ermessensspielraum verfüge, der sich aus den Geboten im Zusammenhang mit dem reibungslosen Ablauf des Haushaltsverfahrens ergebe.

Verabschiedung des Jahreshaushaltsplans in Brüssel war nicht ermessensfehlerhaft

Laut EuGH ist in Bezug auf die Festlegung der ordentlichen Plenartagungen für das Jahr 2016 kein Ermessensfehler festzustellen. Das Parlament habe im vorliegenden Fall auch keinen Ermessensfehler dadurch begangen, dass es die Aussprache und die Abstimmung über den gemeinsamen Entwurf des Jahreshaushaltsplans der Union für das Haushaltsjahr 2017 auf die Tagesordnung der zusätzlichen Plenartagung in Brüssel gesetzt und diesen Entwurf durch legislative Resolution in der gleichen Plenartagung gebilligt habe. Angesichts dessen habe auch der Präsident des Parlaments keinen Ermessensfehler begangen, als er in dieser zusätzlichen Plenartagung in Brüssel festgestellt habe, dass der Jahreshaushaltsplan der Union für das Haushaltsjahr 2017 endgültig erlassen ist.

EuGH, Urteil vom 02.10.2018 - C-73/17

Redaktion beck-aktuell, 2. Oktober 2018.

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