Online-Händler muss umfassend über werbewirksame Herstellergarantie informieren

Ein Online-Händler, der über Amazon eine nicht von ihm selbst hergestellte Ware anbietet, muss den Verbraucher über die Garantie des Herstellers informieren, wenn er sie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. In diesem Fall sei ein besonderes Interesse des Verbrauchers mit Blick auf die Kaufentscheidung gegeben, entschied der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 05.05.2022.

Streit um Amazon-Angebot für Schweizer Taschenmesser

Beklagte des Ausgangsverfahrens ist ein deutsches Handelsunternehmen, das auf Amazon ein Taschenmesser eines Schweizer Herstellers anbot. Die Amazon-Angebotsseite enthielt keine Angaben zu einer von der Beklagten oder einem Dritten gewährten Garantie für das angebotene Messer. Unter der Rubrik "Weitere technische Informationen" befand sich dafür ein Link, über den der Nutzer auf ein vom Hersteller formuliertes, zweiseitiges Informationsblatt zugreifen konnte. Ein Konkurrenzunternehmen klagte wegen unzureichender Garantieangaben auf Unterlassung. Der mit der Sache befasste Bundesgerichtshof hegte Zweifel, ob ein Unternehmer in der Situation der Beklagten auf Grundlage der Verbraucherrechterichtlinie verpflichtet ist, über das Bestehen einer vom Hersteller angebotenen gewerblichen Garantie zu informieren und warf dabei auch die Frage zum Umfang und den Voraussetzungen einer solchen Pflicht auf.

Umfassende Informationspflicht bei berechtigtem Verbraucherinteresse

Der Gerichtshof hat nunmehr entschieden, dass ein Unternehmer dem Verbraucher nur dann umfassende vorvertragliche Informationen zu einer gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung stellen muss, wenn ein "berechtigtes Interesse" im Hinblick auf die Kaufentscheidung besteht. Eine unbedingte Verpflichtung, solche Informationen stets zur Verfügung zu stellen, sei dagegen unverhältnismäßig, da dies Unternehmer dazu zwingen würde, die Informationen über eine solche Garantie mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren.

Berechtigtes Interesse bei Garantieversprechen als Verkaufs- oder Werbeargument

Ein berechtigtes Interesse liege dann vor, wenn der Unternehmer die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots mache, insbesondere, wenn er daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herleite, um die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu den Angeboten seiner Wettbewerber zu verbessern. Hierbei seien der Inhalt und die allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen sowie alle Gesichtspunkte, die ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen könnten. Um dem berechtigten Interesse des Verbrauchers Rechnung zu tragen, müssten die Informationen über die gewerbliche Garantie des Herstellers neben der Dauer und dem räumlichen Geltungsbereich nicht nur den Reparaturort bei Beschädigungen oder mögliche Beschränkungen der Garantie einschließen, sondern auch je nach den Umständen Namen und Anschrift des Garantiegebers.

EuGH, Urteil vom 05.05.2022 - C-179/21

Redaktion beck-aktuell, 5. Mai 2022.