Streit um Offenlegung von Dokumenten in wettbewerbsrechtlicher Schadensersatzklage
2012 leitete die tschechische Wettbewerbsbehörde ein Verfahren über einen möglichen Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein nationales Eisenbahnunternehmen im Eigentum des tschechischen Staates durch die Anwendung von Verdrängungspreisen ein. Wegen der fraglichen Zuwiderhandlung erhob das private Eisenbahnunternehmen RegioJet 2015 Schadensersatzklage. 2016 leitete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren in der Sache ein. Daraufhin setzte die tschechische Wettbewerbsbehörde das bei ihr eingeleitete Verfahren aus. 2017 stellte RegioJet im Rahmen ihrer Klage einen Antrag auf Offenlegung von Dokumenten im Zusammenhang mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten, bei denen sie davon ausging, dass sie im Besitz des nationalen Unternehmens stünden. Die tschechischen Gerichte setzten das Verfahren bis zur Entscheidung der Kommission aus. Das Oberste Gericht möchte nun vom EuGH wissen, ob die nationalen Gerichte die Offenlegung anordnen können, auch wenn das zugrundeliegende Verfahren bis zum Erlass einer Entscheidung der Kommission ausgesetzt wurde.
Gerichtliche Anordnung trotz Aussetzung möglich
Der EuGH bejaht diese Frage grundsätzlich. Das nationale Gericht müsse sich allerdings vergewissern, dass die Offenlegung von Beweismitteln für die Beurteilung des fraglichen Schadensersatzantrags tatsächlich erforderlich und verhältnismäßig ist. Dass die tschechische Wettbewerbsbehörde ihr Verfahren mit Blick auf das Untersuchungsverfahren der Kommission ausgesetzt habe, komme nicht einer Beendigung des Verfahrens gleich. Folglich werde es dem nationalen Gericht dadurch nicht ermöglicht, die Offenlegung von Beweismitteln anzuordnen, deren Vorlage von der Voraussetzung abhängt, dass die zuständige Wettbewerbsbehörde das bei ihr anhängige Verfahren beendet.
Unionsrecht steht restriktiverer nationaler Regelung entgegen
Die tschechische Regelung, die dem nationalen Gericht während eines bei der Wettbewerbsbehörde anhängigen Verfahrens die Anordnung der Offenlegung von Informationen nicht nur – wie in der Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht (Richtlinie 2014/104/EU) vorgesehen – in Bezug auf Informationen untersagt, die eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren "erstellt" wurden, sondern auch in Bezug auf Informationen, die zu diesem Zweck "vorgelegt" wurden, sei mit der Richtlinie unvereinbar. Das mit der Richtlinie verfolgte Harmonisierungsziel würde nämlich gefährdet, wenn die Mitgliedstaaten im Bereich der Offenlegung von Beweismitteln die Möglichkeit hätten, restriktivere Vorschriften als die in ihren Bestimmungen aufgestellten einzuführen.