Klagen gegen youTube und Cyando wegen illegal hochgeladener Inhalte
Im ersten Fall (C-682/18) klagt Musikproduzent Frank Peterson gegen YouTube und Google auf Unterlassung und Schadensersatz, weil 2008 mehrere Tonträger, an denen er nach seinem Vorbringen verschiedene Rechte innehat, ohne seine Erlaubnis auf YouTube hochgeladen wurden. Dabei geht es um Rechte an Titeln aus dem Album "A Winter Symphony" der Sopranistin Sarah Brightman und um private Tonmitschnitte, die bei Konzerten ihrer Tournee "Symphony Tour" gemacht wurden. Im zweiten Fall (C-683/18) geht der internationale Fachverlag Elsevier gegen das schweizer IT-Unternehmen Cyando vor, das die Sharehosting-Plattform „Uploaded“ betreibt. Dort wurden 2013 verschiedene medizinische Werke, an denen Elsevier die ausschließlichen Rechte innehat, ohne die Erlaubnis von Elsevier hochgeladen. Der Bundesgerichtshof als jeweilige Revisionsinstanz rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an, um insbesondere klären zu lassen, inwieweit die Betreiber von Internetplattformen haften, wenn urheberrechtlich geschützte Werke von Nutzern unbefugt auf diese Plattformen hochgeladen werden.
EuGH: Grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe durch Upload-Plattformen
Der EuGH hat die vorgelegten Fragen nach dem hier maßgeblichen alten Recht geklärt, nicht nach der neuen Urheberrechtsrichtlinie 2019/790/EU (in Deutschland umgesetzt durch die Anfang Juni in Kraft getretene Urheberrechtsnovelle) mit den darin vorgesehenen Regelungen zur Haftung von Upload-Plattformen. Er hat zunächst entschieden, dass durch Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform-Betreiber grundsätzlich keine "öffentliche Wiedergabe" der urheberrechtlich geschützten Inhalte im Sinn der Richtlinie 2001/29/EG erfolgt, die von Nutzern rechtswidrig hochgeladen werden. Etwas anderes gelte aber dann, wenn der Betreiber über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Betreiber von urheberrechtsverletzenden Inhalten auf seiner Plattform konkret Kenntnis hat und diesen Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt.
Anders auch bei Fehlen technischer Vorkehrungen trotz häufiger illegaler Uploads
Dies sei auch dann der Fall, wenn ein Betreiber, der wisse oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig hochgeladen werden, keine geeigneten technischen Maßnahmen dagegen ergreift. Maßstab sei dabei, was von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden könne, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen. Eine öffentliche Wiedergabe sei ferner dann anzunehmen, wenn der Betreiber an der Auswahl illegal hochgeladener Inhalte beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert. Für letzteres könne ein Geschäftsmodell sprechen, das die Nutzer der Plattform dazu verleite, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.
Haftungsbefreiung nach E-Commerce-Richtlinie nur bei Kenntnis ausgeschlossen
Außerdem hat der EuGH entschieden, dass die Betreiber von Internetplattformen die Haftungsbefreiung im Sinne der Richtlinie 2000/31/EG geltend machen können, sofern sie keine aktive Rolle spielten, die ihnen Kenntnis von den auf ihre Plattformen hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschaffe. Der Betreiber sei nur dann von der Haftungsbefreiung gemäß der Richtlinie ausgeschlossen, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Uploads seiner Nutzer hat.
Anforderungen an Erlangung gerichtlicher Anordnung gegen Störer nicht zu beanstanden
Schließlich hat der EuGH klargestellt, unter welchen Voraussetzungen Rechtsinhaber nach der Richtlinie 2001/29/EG gerichtliche Anordnungen gegen Betreiber von Internetplattformen erwirken können. Danach sei nicht zu beanstanden, dass bei illegalen Uploads ohne Kenntnis des Plattform-Betreibers der Rechtsinhaber eine gerichtliche Anordnung gegen den Betreiber erst dann erlangen könne, wenn die Rechtsverletzung zunächst dem Betreiber gemeldet wurde und dieser dann nicht unverzüglich den fraglichen Inhalt entfernt oder den Zugang zu diesem gesperrt und dafür gesorgt hat, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen. Es obliege jedoch den nationalen Gerichten, sich bei der Anwendung einer solchen Voraussetzung zu vergewissern, dass diese nicht dazu führt, dass die tatsächliche Beendigung der Rechtsverletzung derart verzögert werde, dass dem Rechtsinhaber unverhältnismäßige Schäden entstehen.