"Only Fans"-Betreiber soll Mehrwertsteuer auf sämtliche Zahlungen von Fans entrichten
Fenix International betreibt die Online-Plattform "Only Fans", auf der "Gestalter" (creator) unter ihrem Profil Content wie Fotos oder Videos einstellen, zu dem "Fans" gegen Bezahlung Zugang erhalten. Fenix stellt dabei auch die Anwendung zum Einzug und der Verteilung der von den Fans geleisteten Zahlungen bereit. Das Unternehmen behält 20% aller an einen Gestalter gezahlten Beträge als Vergütung ein und erhebt darauf in Rechnungen ausgewiesene Mehrwertsteuer. Die britische Steuer- und Zollverwaltung war dagegen der Ansicht, dass Fenix Mehrwertsteuer auf den gesamten von einem Fan erhaltenen Betrag abführen müsse, da das Unternehmen als im eigenen Namen tätig anzusehen sei. Sie erließ entsprechende Steuerbescheide für die Jahre 2017 bis 2020. Dagegen klagte Fenix. Das britische Gericht rief vor Ende des Brexit-Übergangszeitraums den EuGH an, um die Gültigkeit der maßgeblichen Bestimmung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zur Mehrwertsteuersystem-Richtlinie klären zu lassen.
Vermutung für Eigenschaft als Erbringer der Dienstleistungen
Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen von Dienstleistungen als Vermittler im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen handelt, als Erbringer dieser Dienstleistungen. Nach Art. 9a der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 spricht bei elektronisch erbrachten Dienstleistungen über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal wie einen Appstore eine Vernutung dafür, dass ein an dieser Erbringung beteiligter Steuerpflichtiger im eigenen Namen, aber für Rechnung des Anbieters dieser Dienstleistungen tätig ist. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn der Anbieter von dem Steuerpflichtigen ausdrücklich als Leistungserbringer genannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Das gilt aber nicht, wenn ein an der Erbringung der Dienstleistung beteiligter Steuerpflichtiger die Abrechnung mit dem Dienstleistungsempfänger autorisiert, ihre Erbringung genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Erbringung festlegt.
EuGH: Durchführungsverordnung lediglich präzisierend und daher gültig
Laut EuGH ist die Bestimmung der Durchführungsverordnung gültig. Der Rat habe die Mehrwertsteuerrichtlinie damit lediglich präzisiert, ohne sie zu ergänzen oder zu ändern. Er habe daher seine Durchführungbefugnisse nicht überschritten. Ein Steuerpflichtiger, der sich an der Erbringung einer elektronischen Dienstleistung beteilige und dabei die Erbringung der Dienstleistungen genehmigen oder ihre Abrechnung autorisieren oder auch die allgemeinen Bedingungen ihrer Erbringung festlegen dürfe, könne einseitig wesentliche Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Dienstleistung festlegen. Unter diesen Umständen und in Anbetracht der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität, die sich in ihnen widerspiegle, sei der Steuerpflichtige mit Recht als Dienstleistungserbringer im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen, so der EuGH.