EuGH: Luxemburg hat Mehrwertsteuerrichtlinie fehlerhaft umgesetzt

Luxemburg hat die Regeln der Mehrwertsteuerrichtlinie in Bezug auf selbstständige Zusammenschlüsse von Personen in zu extensiver Weise umgesetzt. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 04.05.2017 entschieden. Der EuGH verwies in seiner Begründung darauf, dass nach der Mehrwertsteuerrichtlinie nur die Dienstleistungen eines Zusammenschlusses für unmittelbare Zwecke der Ausübung steuerbefreiter Tätigkeiten seiner Mitglieder von der Mehrwertsteuer befreit sein können (Az.: C-274/15, BeckRS 2017, 108626).

Richtlinie enthält Ausnahmeregelung

Im Unionsrecht unterliegen Dienstleistungen, die Steuerpflichtige (Gesellschaften oder natürliche Personen) erbringen, normalerweise der Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuerrichtlinie (RL 2006/112/EG) sieht jedoch unter bestimmten Umständen eine Steuerbefreiung für Dienstleistungen vor, die von "selbstständigen Zusammenschlüssen von Personen" (ein Zusammenschluss von Unternehmen oder Personen, der selbstständig Gegenstände oder Dienstleistungen an seine Mitglieder liefert beziehungsweise erbringt) erbracht werden.

Nationale Regelung sieht verschiedene Befreiungstatbestände vor

Nach der luxemburgischen Regelung sind die von einem Zusammenschluss an seine Mitglieder erbrachten Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer nicht nur dann befreit, wenn diese Dienstleistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten ihrer Mitglieder erbracht werden, sondern auch dann, wenn der Anteil der steuerbaren Tätigkeiten der Mitglieder (Tätigkeiten, die der Mehrwertsteuer unterliegen) 30% (oder sogar 45%) ihres Jahresumsatzes vor Steuern nicht übersteigt. Ferner erlaubt dieselbe Regelung den Mitgliedern des Zusammenschlusses, die dem Zusammenschluss in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer für Gegenstände oder Dienstleistungen, die nicht an die Mitglieder, sondern an den Zusammenschluss selbst geliefert beziehungsweise erbracht wurden, abzuziehen. Schließlich sieht die luxemburgische Regelung vor, dass von einem Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses getätigte Umsätze nicht der Mehrwertsteuer für den Zusammenschluss unterliegen.

Kommission moniert Rechtslage in Luxemburg

Die Kommission hält die luxemburgische Regelung für mit den Regeln der Mehrwertsteuerrichtlinie über selbstständige Zusammenschlüsse von Personen unvereinbar und hat den Gerichtshof angerufen, um feststellen zu lassen, dass Luxemburg gegen diese Regeln verstoßen hat.

EU-Recht fehlerhaft umgesetzt

Der EuGH hat jetzt der Vertragsverletzungsklage der Kommission im Wesentlichen stattgegeben. Die luxemburgische Regelung über selbstständige Zusammenschlüsse von Personen sei mit der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar. Mehrwertsteuerbefreiungen würden Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Mehrwertsteuerrichtlinie könnten nur die Dienstleistungen eines Zusammenschlusses für unmittelbare Zwecke der Ausübung steuerbefreiter Tätigkeiten seiner Mitglieder von der Mehrwertsteuer befreit sein. Mit der Regelung, dass die Dienstleistungen eines Zusammenschlusses an seine Mitglieder von der Mehrwertsteuer befreit sind, wenn der Anteil der steuerbaren Tätigkeiten der Mitglieder 30% (oder sogar 45%) ihres Jahresumsatzes nicht übersteigt, habe Luxemburg daher die Mehrwertsteuerrichtlinie fehlerhaft umgesetzt.

Zusammenschluss als selbstständiger Steuerpflichtiger

Darüber hinaus wies der Gerichtshof darauf hin, dass der Zusammenschluss ein selbstständiger Steuerpflichtiger ist, der Dienstleistungen selbstständig an seine Mitglieder erbringt, die von ihm verschieden sind. Angesichts der Selbstständigkeit des Zusammenschlusses gegenüber seinen Mitgliedern könnten diese, anders, als es das luxemburgische Recht erlaubt, vom Betrag der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer nicht die Mehrwertsteuer abziehen, die für an den Zusammenschluss (und nicht unmittelbar an die Mitglieder) gelieferte Gegenstände oder erbrachte Dienstleistungen geschuldet wird oder entrichtet worden ist. Folglich habe Luxemburg auch in diesem Punkt die Mehrwertsteuerrichtlinie nicht richtig umgesetzt.

Umsatz zwischen zwei Steuerpflichtigen

Zuletzt stellte der EuGH fest, dass wegen der Selbständigkeit des Zusammenschlusses gegenüber seinen Mitgliedern jeder Umsatz zwischen dem Zusammenschluss und einem seiner Mitglieder als Umsatz zwischen zwei Steuerpflichtigen zu betrachten ist und somit in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt. Demnach habe Luxemburg auch insoweit die Mehrwertsteuerrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, indem es vorgesehen hat, dass Umsätze, die ein Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses tätigt, von der Mehrwertsteuer für den Zusammenschluss befreit sein können.

EuGH, Urteil vom 04.05.2017 - C-274/15

Redaktion beck-aktuell, 5. Mai 2017.

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