EuGH: Nationale Gerichte dürfen Stornierungsgebühren von Luftfahrtunternehmen auf Missbräuchlichkeit prüfen

Luftfahrtunternehmen (hier: Air Berlin) müssen im Flugpreis enthaltene Steuern, Gebühren und Zuschläge gesondert ausweisen. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 06.07.2017 entschieden. Außerdem können von Luftfahrtunternehmen verlangte Stornierungsgebühren auf Missbräuchlichkeit (hier: nach § 307 BGB) überprüft und für nichtig erklärt werden. Die den Unternehmen im EU-Recht eingeräumte Freiheit bei der Festlegung von Flugpreisen stehe dem nicht entgegen (Az.: C-290/16).

Verbraucherschützer rügen Air Berlin-Klausel über Stornogebühren

Das Luftfahrtunternehmen Air Berlin sieht in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel vor, nach der es bei Reiseteilnehmern, die eine Buchung für einen Flug im Spartarif stornieren oder den Flug nicht antreten, 25 Euro als Bearbeitungsentgelt von dem ihnen zu erstattenden Betrag einbehält. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hält diese Klausel wegen unangemessener Kundenbenachteiligung nach § 307 BGB für unwirksam. Air Berlin dürfe für die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung kein gesondertes Entgelt verlangen. Der Bundesverband klagte daher gegen Air Berlin auf Unterlassung.

Preisdarstellung auf Air Berlin-Website ebenfalls beanstandet

Im Rahmen dieser Klage geht der Bundesverband auch gegen die Praktiken bei der Preisdarstellung auf der Website von Air Berlin vor. Bei einer Online-Probebuchung im Jahr 2010 hatte der Verband festgestellt, dass die ausgewiesenen Steuern und Gebühren viel niedriger waren als die tatsächlich an die betreffenden Flughäfen abzuführenden. Nach seiner Ansicht kann diese Praxis die Verbraucher in die Irre führen und verstößt gegen die Regeln über die Preistransparenz, die in der europäischen Verordnung über die Durchführung von Luftverkehrsdiensten 1008/2008/EG vorgesehen sind.

BGH: Steht Preisfreiheit der Anwendung des § 307 BGB entgegen?

Der Bundesgerichtshof (BeckRS 2016, 09149) rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und bat um Auslegung der Verordnung. Der BGH ist wie der Bundesverband der Auffassung, dass die Klausel über Stornogebühren die Kunden unangemessen benachteilige und daher nach § 307 BGB unwirksam sei. Der BGH fragt sich jedoch, ob die den Luftfahrtunternehmen durch die Verordnung 1008/2008/EG eingeräumte Preisfreiheit der Anwendung einer nationalen Regelung zur Umsetzung des EU-Verbraucherschutzrechts auf eine solche Klausel entgegensteht.

EuGH: Anwendbarkeit des § 307 BGB durch Preisfreiheit nicht gehindert

Der EuGH hat entschieden, dass die den Luftfahrtunternehmen eingeräumte Freiheit bei der Festlegung von Flugpreisen der Anwendung des § 307 BGB nicht entgegensteht. Die allgemeinen Vorschriften zum Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln seien auch auf Luftbeförderungsverträge anwendbar.

Steuern, Gebühren und Zuschläge gesondert auszuweisen

Zur Preistransparenz führt der EuGH aus, dass Luftfahrtunternehmen die von den Kunden für die Steuern, die Flughafengebühren und die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte geschuldeten Beträge bei der Veröffentlichung ihrer Flugpreise gesondert ausweisen müssten und sie daher nicht – auch nicht teilweise – in den Flugpreis einbeziehen dürften. Hätten die Luftfahrtunternehmen die Wahl, die entsprechenden Steuern, Gebühren, Zuschläge und Entgelte entweder in den Flugpreis einzubeziehen oder sie gesondert auszuweisen, würde das mit der Verordnung verfolgte Ziel der Information und Transparenz in Bezug auf die Preise nicht erreicht.

EuGH, Urteil vom 06.07.2017 - C-290/16

Redaktion beck-aktuell, 6. Juli 2017.