Ausgangskläger nahmen Fremdwährungskredit auf
Die rumänischen Kläger des Ausgangsverfahrens sowie weitere Personen nahmen 2007 und 2008 bei der rumänischen Bank Banca Românească Fremdwährungskredite auf, um Immobilien zu erwerben, andere Kredite zu refinanzieren oder persönliche Bedürfnisse zu erfüllen. Während sie ihr Einkommen damals in Rumänischen Lei bezogen, lauteten die Kredite auf Schweizer Franken. Nach den zwischen den Parteien geschlossenen Kreditverträgen verpflichteten sich die Kreditnehmer, die Darlehensraten in Schweizer Franken zurückzuzahlen, und übernahmen das Risiko, das mit möglichen Schwankungen des Wechselkurses des Rumänischen Lei gegenüber dem Schweizer Franken verbunden war.
Kläger rügen klauselmäßig vereinbarte Wechselkursrisikoübernahme als missbräuchlich
Danach änderte sich der Wechselkurs erheblich zum Nachteil der Kreditnehmer. Daraufhin beantragten diese vor rumänischen Gerichten die Feststellung, dass die Klausel, nach der der Kredit ohne Rücksicht auf den möglichen Verlust, der den Kreditnehmern wegen des Wechselkursrisikos entstehen könne, in Schweizer Franken zurückzuzahlen sei, eine missbräuchliche Klausel darstelle, die sie gemäß der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nicht binde. Die Kreditnehmer machten unter anderem geltend, die Bank habe ihr Produkt bei Vertragsschluss verzerrt dargestellt und ausschließlich die Vorteile, die die Kreditnehmer daraus ziehen könnten, hervorgehoben, ohne auf die potenziellen Risiken und die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung dieser Risiken hinzuweisen.
Vorlagegericht: Inwieweit müssen Banken über Wechselkursrisiko aufklären?
Das rumänische Berufungsgericht (Curtea de Apel Oradea) rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und befragte ihn zum Umfang der Bankenpflicht, die Kunden über das mit Fremdwährungskrediten verbundene Wechselkursrisiko aufzuklären.
EuGH: Missbräuchlichkeitsprüfung setzt unklare Klausel voraus
Der EuGH hält zunächst fest, dass die beanstandete Klausel anhand der Richtlinie nur dann auf ihre Missbräuchlichkeit hin geprüft werden kann, wenn sie nicht klar und verständlich abgefasst ist. Denn die Verpflichtung, einen Kredit in einer bestimmten Währung zurückzuzahlen, betreffe die Hauptpflicht des Kreditvertrags, da es nicht um eine akzessorische Zahlungsmodalität, sondern um das Wesen der Pflicht des Schuldners gehe.
Verbraucher muss wirtschaftliche Folgen einschätzen können
Laut EuGH gebietet das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung einer Vertragsklausel auch, dass der Vertrag die konkrete Funktionsweise des Verfahrens, auf das die betreffende Klausel Bezug nimmt, in transparenter Weise darstellt. Gegebenenfalls müsse er auch über das Verhältnis zwischen diesem Verfahren und dem durch andere Klauseln vorgeschriebenen Verfahren aufklären, damit der Verbraucher die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einschätzen könne. Diese Frage müsse das rumänische Gericht anhand aller relevanten Tatsachen prüfen. Dazu zählten auch die Werbung und die vom Kreditgeber im Rahmen der Aushandlung eines Kreditvertrags bereitgestellten Informationen. Insbesondere sei zu prüfen, ob dem Verbraucher sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm erlauben, die Gesamtkosten seines Kredits einzuschätzen.
Bank muss Kreditnehmer über Kursschwankungen und deren Auswirkungen aufklären
Der EuGH weist darauf hin, dass die Kreditinstitute verpflichtet seien, Kreditnehmern ausreichende Informationen zur Verfügung zu stellen, damit diese umsichtige und besonnene Entscheidungen treffen können. Somit müssten diese Informationen nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Kreditwährung umfassen, sondern auch die Auswirkungen von Kursschwankungen und der Erhöhung des Zinssatzes der Kreditwährung auf die Ratenzahlungen. So müsse zum einen der Kreditnehmer klar darüber informiert werden, dass er sich durch den Abschluss eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags einem Wechselkursrisiko aussetzt, das er im Fall einer Abwertung der Währung, in der er sein Einkommen erhält, eventuell schwer werde tragen können. Zum anderen müsse das Kreditinstitut die möglichen Änderungen der Wechselkurse und die Risiken des Abschlusses eines Fremdwährungskredits insbesondere dann darlegen, wenn der den Kredit aufnehmende Verbraucher sein Einkommen nicht in dieser Währung erhält.
Vorgaben für Missbräuchlichkeitsprüfung bei unklarer Klausel
Komme das rumänische Gericht zu dem Ergebnis, dass das Kreditinstitut seinen Pflichten nicht nachgekommen ist, könne es die Missbräuchlichkeit der Klausel prüfen. Laut EuGH muss es dabei die mögliche Missachtung des Gebots von Treu und Glauben durch die Bank und das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den Vertragsparteien bewerten. Für diese Bewertung sei auf den Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Vertrags abzustellen. Dabei seien unter anderem die Expertise und die Fachkenntnisse der Bank zu den möglichen Wechselkursschwankungen und den mit der Aufnahme eines Fremdwährungskredits verbundenen Risiken zu berücksichtigen. Der EuGH weist diesbezüglich darauf hin, dass eine Vertragsklausel ein Missverhältnis zwischen den Parteien bewirken könne, das sich erst im Laufe der Vertragserfüllung herausstelle.