Kommission muss Verkauf des Nürburgrings neu auf staatliche Beihilfen prüfen

Die europäische Kommission muss neu prüfen, ob der 2014 erfolgte Verkauf des Nürburgrings mit der Gewährung einer staatlichen Beihilfe verbunden war. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die Kommission habe dies damals zu Unrecht ausgeschlossen und von der Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens abgesehen.

Staatliche Beihilfen für Capricorn bei Verkauf des Nürburgrings?

2014 wurde der Nürburgring nach Durchführung eines Bietverfahrens an den Automobilzulieferer Capricorn verkauft. Eine unterlegene Mitbewerberin (NeXovation) und der Verein "Ja zum Nürburgring" rügten bei der Kommission, das Bietverfahren sei intransparent und diskriminierend gewesen und der Nürburgring nicht zu einem marktgerechten Preis verkauft worden. Capricorn habe somit Beihilfen vom Land erhalten. Die Kommission sah in der Veräußerung des Nürburgrings an Capricorn keine staatliche Beihilfe. Klagen des Vereins und der Mitbewerberin vor dem Gericht der Europäischen Union scheiterten. Dagegen legten sie Rechtsmittel ein.

EuGH: Kommission hätte förmliches Prüfverfahren einleiten müssen

Die Rechtsmittel hatten diesbezüglich Erfolg. Der EuGH hat insoweit die EuG-Urteile aufgehoben und den Kommissionsbeschluss für nichtig erklärt. Die Kommission hätte förmlich prüfen müssen, ob die Veräußerung des Nürburgrings an Capricorn mit der Gewährung einer staatlichen Beihilfe verbunden gewesen sei. Nur zwei Angebote seien als finanziell gesichert angesehen worden (ein Aspekt der Erwerberauswahl), nämlich das Angebot von Capricorn und das eines anderen Bieters. Da jedoch sowohl der Betrag der gesicherten Finanzierung, über die dieser andere Bieter verfügt habe, als auch der von diesem gebotene Kaufpreis niedriger gewesen seien als bei Capricorn, sei letztlich das Angebot von Capricorn ausgewählt worden.

Zweifel an Diskriminierungsfreiheit des Bietverfahrens

Die Kommission habe dabei aber zu Unrecht angenommen, dass die Finanzierung des Angebots von Capricorn unzweifelhaft von der Deutschen Bank garantiert worden sei, wovon auch das EuG ausgegangen sei. Denn ein Schreiben dieser Bank vom 10.03.2014 habe entgegen dem Verständnis der Kommission und des Gerichts eindeutig keine verbindliche Finanzierungszusage enthalten. Dieser Fehler lasse Zweifel an der Diskriminierungsfreiheit des Bietverfahrens aufkommen. Denn er könnte belegen, dass Capricorn eine Vorzugsbehandlung erhalten habe und ihr Angebot nicht abgelehnt worden sei, während das höhere Angebot von NeXovation wegen fehlenden Finanzierungsnachweises ausgeschlossen worden sei. Die Kommission hätte daher ein förmliches Prüfverfahren einleiten müssen.

"Verkaufsverfahren ist nun endgültig als Farce entlarvt"

Der Vorsitzende des Vereins "Ja zum Nürburgring", Dieter Weidenbrück, kommentierte: "Die Entscheidung des EuGH untermauert unsere Kritik am Verkaufsverfahren." Es sei für den Verein nicht nachvollziehbar, "warum erst die letzte Instanz bemüht werden musste, um die offensichtlich unzureichende Finanzierungslage der Käufer korrekt einzuordnen. Das Verkaufsverfahren ist nun endgültig als Farce entlarvt." Bei der neuen Prüfung der EU-Kommission dürfte es kaum möglich sein, die damalige Finanzierung als gesichert und somit den Verkaufsprozess als fair und EU-konform einzuordnen. Der Verein dringe darauf, die "Zukunft des automobilen Kulturguts und den Zugang für den Breitensport langfristig sicherzustellen".

Verkauf nach Pleite 2012

Die vor fast 100 Jahren in Betrieb genommene Rennstrecke in staatlicher Hand ging 2012 pleite. Daher wurde sie verkauft. Inzwischen gehört sie einer Holding des russischen Unternehmers Viktor Charitonin. Die Betreiberfirma des Nürburgrings hat die Asphaltschleife auf zahlreiche wirtschaftliche Standbeine gestellt - neben Motorsport gibt es hier auch in Corona-Zeiten beispielsweise Testfahrten der Autobranche und Firmenveranstaltungen. Hinzu kommen Fahrten von Hobby-Rennfahrern mit eigenen Autos auf dem Nürburgring. Das legendäre Musikspektakel "Rock am Ring" dagegen ist schon zwei Jahre in Folge der Pandemie zum Opfer gefallen.

EuGH, Urteil vom 02.09.2021 - C-647/19

Redaktion beck-aktuell, 2. September 2021 (ergänzt durch Material der dpa).