Traktor erdrückt Landarbeiterin
Im März 2006 verstarb die Ehefrau des Ausgangsklägers infolge eines Unfalls in dem landwirtschaftlichen Betrieb, in dem sie beschäftigt war. Sie wurde von einem Traktor erdrückt. Dieser stand mit laufendem Motor auf einem Feldweg des Betriebs, um eine Pumpe zum Verspritzen eines Pflanzenschutzmittels zu betreiben, und wurde von einem Erdrutsch mitgerissen, der unter anderem durch sein Gewicht, die Erschütterungen seines Motors und der Pumpe sowie starken Regen verursacht wurde. Der Ausgangskläger begehrt immateriellen Schadensersatz von den Eigentümern des Betriebs und den Eigentümers des Traktors als Gesamtschuldner oder von der Versicherung (CA Seguros), bei der der Traktor haftpflichtversichert ist, sofern diese zur Deckung eines solchen Schadensfalls verpflichtet sei.
Portugiesisches Vorlagegericht: "Benutzung eines Fahrzeugs" durch Einsatz eines still stehenden Fahrzeugs als Arbeitsmaschine?
Das portugiesische Berufungsgericht (Tribunal da Relação de Guimarães) rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an. Es wollte wissen, ob der Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" auch die Benutzung eines Fahrzeugs in seiner Funktion als Arbeitsmaschine zur Erzeugung von Antriebskraft für andere Arbeiten erfasst, wenn das Fahrzeug mit laufendem Motor steht. Das Gericht hatte Zweifel, ob es gerechtfertigt sei, diesen Fall vom Anwendungsbereich des Begriffs "Benutzung eines Fahrzeugs" auszuschließen, obwohl eine solche Benutzung zu schweren, selbst tödlichen Unfällen führen könne.
EuGH: Keine "Benutzung eines Fahrzeugs" durch Einsatz als Arbeitsmaschine zum Unfallzeitpunkt
Der EuGH verneint eine "Benutzung eines Fahrzeugs" im Sinn der Ersten Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie 72/166/EWG, wenn die Hauptfunktion eines landwirtschaftlichen Traktors zum Unfallzeitpunkt nicht in seiner Verwendung als Transportmittel bestand, sondern als Arbeitsmaschine, um die erforderliche Antriebskraft für den Betrieb einer Pumpe zum Verspritzen eines Pflanzenschutzmittels zu erzeugen.
Begriff umfasst jede Verwendung eines Fahrzeugs als Transportmittel
Der EuGH unterstreicht, dass der Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" einen autonomen Begriff des Unionsrechts darstelle, der einheitlich auszulegen sei. Merkmale des Geländes, auf dem das Kraftfahrzeug benutzt werde, spielten für den Umfang des Begriffs keine Rolle. Vielmehr falle jede Verwendung eines Fahrzeugs als Transportmittel unter diesen Begriff. Der Umstand, dass das an dem Unfall beteiligte Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls gestanden habe, schließe für sich allein nicht aus, dass die Benutzung dieses Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt unter seine Funktion als Transportmittel subsumiert werden kann und folglich vom Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" im Sinn der Richtlinie umfasst ist. Auch ob sein Motor zum Zeitpunkt des Unfalls gelaufen sei oder nicht, sei hierfür nicht maßgeblich.
Bei Fahrzeugen mit dualer Verwendung ist auf die Hauptfunktion zum Unfallzeitpunkt abzustellen
Laut EuGH gilt bei Fahrzeugen, die außer ihrer gewöhnlichen Verwendung als Transportmittel unter bestimmten Umständen auch als Arbeitsmaschinen genutzt werden, folgendes: Sei ein solches Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt in erster Linie als Transportmittel verwendet worden, sei diese Verwendung vom Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" im Sinn der Richtlinie umfasst. Sei es hingegen als Arbeitsmaschine verwendet worden, sei die betreffende Verwendung nicht von diesem Begriff umfasst. Der EuGH schließt daraus, dass unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falls die Verwendung des Traktors offenbar in erster Linie an seine Funktion als Arbeitsmaschine anknüpfe und nicht an seine Funktion als Transportmittel. Folglich falle diese Verwendung nicht unter den Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" im Sinn der Richtlinie.